„Mach schnell zu!“, forderte Silke Z., als ihr Mann Claus – beide bereits ausgeh-bereit – feststellte, dass die Ketchup-Flasche im Kühlschrank gekippt und teilweise ausgelaufen war. Das war vor mindestens 30 Jahren und längst ist die heitere Erinnerung daran stärker als der „Schaden“ damals war. Andere loben dagegen den Sinnspruch im Volksmund „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“
Wer die „inner Sperre“ spürt, wenn es darum geht, sich nicht ums Putzen, Aufräumen oder Erledigen zu kümmern, der leidet oder besser, der ist gezeichnet. Gezeichnet von „Prokrastination“, dem „Aufschieben“, dem Aufschiebeverhalten, dem Handlungsaufschub oder einfach nur von Aufschieberitis. Eine dann doch weniger tugendvolle Angewohnheit, notwendige, aber unangenehme Arbeiten immer wieder zu verschieben, statt sie zu erledigen.
Aktion contra Langeweile
Sind Menschen wesensbedingt unterschiedlich motivationsabhängig, schaffen es einige nur mit großer Überwindung, Tätigkeiten überhaupt auszuüben, wenn diese zudem noch als langweilig empfunden werden und ein Nutzen nicht zwingend mit der Handlung einher geht, sondern erst später.
Dabei ist das Bewusstsein klar, dass diese Nachteile durch den Aufschub hat
was seinerseits Unlust oder sogar Angst auslöst.
Begleitende Negativgefühle hemmen die nötige Aktion oder machen diese gar unmöglich.
Da wird der mehrfache Aufschub, unangenehmen Aufgaben immer wieder auf später zu verlegen zu einem wahren „Teufelskreis“. Frei nach dem Motto: Gute Vorsätze sind dazu da, sie stets wieder umzustoßen.
So kann Angst entstehen, es folgen Scham und Druckgefühl, die gleichermaßen und als Anschluss den Aktionismus unterminieren.
Das Ich und sein Selbstregulationsniveau
Vorsatz allein reicht also nicht, mehr Selbstdisziplin beweisen zu wollen. Das Problem manifestiert sich! Fallweise kann eine psychologische Beratung und im Extrem auch eine medikamentöse Behandlung das „Selbstregulationsniveau“ anregen.
Obschon in den USA 1999 bei 40 Prozent der Befragten erkannt, dass Aufschieben Nachteile bereitet, leidet heute noch jeder Vierte an chronischem Handlungsaufschub. Das Phänomen des Aufschiebeverhaltens und das einer schlechten Arbeitsplanung wird längst mit dem Begriff „Studentensyndrom“ diagnostiziert.
Und wie wird’s besser…?
Das unangenehme Gefühl für Betroffenen, die sich gegen „prompte Erledigung“ sträuben, entsteht wohl dadurch, dass Prioritäten unklar gesetzt werden, dass schlecht organisiert wird, dass es an Impulsivität und Sorgfalt mangelt, dass Aufgaben als langweilig gelten oder auch mit Ängste und falsch verstandenem Perfektionismus verbunden werden.
Kognitiv, also die Erkenntnis betreffend, findet häufig eine dys-funktionale Verzerrung beim Betroffenen statt. Er schätzt seine Zeiten schlecht ein, überschätzt, wie künftige motivische Zustände wirken, und unterschätzt den Zusammenhang zwischen der Aufgabe und dem zugehörigen, interaktiven Gefühlen als mentale Verbindung.
Betroffene äußern ihre Haltung so, dass ihnen Arbeit nur dann etwas brächte,
Weitere Diagnosen markieren Versagensängste und den Neurotizismus, der Angst davor, dass das eigene Wohlbehagen gefährdet ist. Hinzu kommen ein Mangel an Selbstwirksamkeits-Erwartung und Selbstachtung oder auch die Haltung, dass Feedback und Selbsterkenntnis fehlen.
Für Prokrastination existiert dann aber auch ein psycho-dynamisches Erklärungsmodell. Mit diesem wird das Aufschieben als Symptom von Persönlichkeitsstörungen und neurotischen Konflikten, in der Angst vor Versagen, Erfolg, Alleinsein, Nähe, Ablehnung, Ärger, Wut, Perfektionismus, Abhängigkeit, Scham oder Selbstwert gesucht.
Das nun hat mit übertriebener oder mangelnder Häuslichkeit und mangelnder Ordnung in der Werkstatt im Keller nun wirklich nichts mehr zu tun.
günter meint
ich suche die beste strategie zur beherrschung der kommunikation bei „nötigen“ ängsten. gefragten rat geben, aber keine neuen ängste schüren bei geliebten menschen bei deren risikobehafteten geplanten handlungen, was diese scheinbar nicht erkennen können oder wollen).
mir scheint, die verantwortung wird an mich deligiert, aber unliebsames soll ich nicht ansprechen. die aufschieberitis äußert sich auch hier als vogel strauss politik?