Führen „Einzelmeinungen“ unser Grundgesetz ad absurdum?
Grundgesetz, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht:
X a. Verteidigungsfall: Artikel 115 a (1)
(1) Die Feststellung, dass das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall) trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) forderten am Mittwoch im Bundestag vergeblich eine „Regierungserklärung zur inneren Sicherheit, um Klarheit über die Haltung der Regierung zu gewinnen. Doch: Frau Merkel äußert sich nicht.
Es handelt sich hier um die Forderung, dass die Streitkräfte dazu ermächtigt werden sollen, mit Waffengewalt ein entführtes Flugzeug abzuschießen. Das bedeutet auch, dass damit eine eindeutige Entscheidung gegen das Leben von Menschen getroffen werden soll.
Da dies aber nicht unserem Grundgesetz entspricht, soll es diesbezüglich „überarbeitet“ werden.
Es sollen Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden, aber würde diese Änderung stattfinden, wäre das nicht der erste Bruch mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Einem Herr Peter Hartz samt „Kompetenzteam“ ist es bereits gelungen, folgenden Grundsatz zur Makulatur werden zu lassen:
Artikel 12 – Grundrechte
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen…
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Die sogenannten Ein-Euro-Jobs sind nicht anderes als Zwangsarbeit, die gegenüber der Öffentlichkeit durch das Motto „Fördern und Fordern“, oder umgangssprachlich und weitläufiger bekannt unter „Besser arbeiten als Stütze empfangen“ legitimiert werden sollen.
Zurück zum Thema „Terrorismusbekämpfung“ und der damit verbundenen Forderungen einzelner Politiker.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Uwe Küster bezeichnet die verfassungsignorierenden Forderungen Schäubles und Jungs „Einzelmeinungen“, da diese nicht die Position der Regierung repräsentieren. In der Tat: Wie bereits erwähnt, äußert sich Bundeskanzlerin Merkel nicht einmal dazu. Das Bundesverfassungsgericht hat indes schon eindeutig per Urteil darüber entschieden, dass der absurde Vorschlag des Mitglieds eines Verfassungsorgans, also von Herrn Jung und des Bundesinnenministers „mit dem Grundrecht auf Leben und mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes nicht vereinbar“ ist.
Artikel 1 – Grundrechte
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (Anmerk. d. Autorin: Hier ist selbstverständlich nicht Gewalt durch Waffen gemeint!)
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Völlig ungeachtet dessen arbeitet Herr Schäuble derzeit unverdrossen an einem Katalog von Formulierungsvorschlägen für eine Änderung des Grundgesetzes.
„Pannenfreie Überwachung von Tätern“ will Schäuble auch durch Onlinedurchsuchungen privater Computer. Vor dreißig Jahren, als die RAF mörderische Terrorakte verübte wurde darüber diskutiert, wo die Grenzen der Mittel der Staatsmacht, also der „staatlichen Gewalt“ liegen und wo die Beschränkung der bürgerlichen Freiheiten liegen. Die damaligen Gesetzesverschärfungen bezogen sich auf den Katalog der Straftaten und die Regeln des Strafprozesses. Doch diese Erfahrung bringt uns, was die Jung-Schäuble’sche Forderung betrifft nicht weiter.
Die Zeit bringt hier sehr entscheidende Stichworte in der Terrorismus-Debatte mit ein: „Sanktion“ und „Prävention“ und schreibt: „…vielmehr geht es um ein verbrecherisches Treiben, das nicht mit der Drohung nachträglicher Sanktionen, sondern durch rechtzeitige Prävention eingedämmt werden kann. Aber ….es geht um den Schutz des Rechtsstaats, nicht um die Errichtung eines Präventionsstaats“.
Die Forderung von Jung und Schäuble, die selbst in der eigenen Partei nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe stösst, beinhaltet nämlich – trotz aller schockierenden Eindeutigkeit – etwas Subtiles. Wird ihr nämlich stattgegeben, müssen wir damit rechnen, dass durch einzelne Personen, die Schlüsselpositionen in der Politik innehaben, unser Grundgesetz nicht mehr das ist, was es dem Wortsinne nach ist. Das Grundgesetz: Die Basis für alle unsere Gesetze. Der kleinste gemeinsame Nenner, der uns Allen die gleichen Rechte einräumt. Der das Leben Aller schützt.
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