von Roland Kiefer, Dipl.Theologe und Oberstudienrat, Niedereschach (BaWü)
Im Folgenden skizziere ich in aller Kürze eine kritische Sicht des Themas Organtransplantation aus einer persönlichen Perspektive, die sich auf theologische Grundüberzeugungen bezieht. Vorab jedoch eine wichtige Vorbemerkung: Es gibt aus der theologischen Perspektive ebenso nachvollziehbare Argumente für die Organentnahme bei sogenannten Hirntoten und die lebensrettende Organtransplantation bei Schwerkranken.
Nur so kann u. U. ihr Leben erhalten bzw. verlängert werden. Die Spende kann motiviert sein in einem Akt christlicher Nächstenliebe – als Zeichen tief empfundener Solidarität mit Sterbenskranken. Und dieses starke Pro-Argument, das in zahlreichen kirchlichen Stellungnahmen herausgestrichen wird, will ich nicht in Frage stellen oder madig machen, es mag für manch einen unter uns auch für seine persönliche Gewissensentscheidung zwingend sein.
Die Thematik Organtransplantation von so genannten hirntoten Menschen ist allerdings – auf den zweiten Blick – derart problematisch, dass echte Aufklärung und damit eine fundierte Gewissensentscheidung an diesen kritischen Punkten nicht vorbeigehen darf – und genau diese werden im medialen Echo in der Regel übersehen.
Warum ist dies so ? Weil sie eben so gar nicht ins Bild passen. Wir Menschen bevorzugen einfache Wahrheiten, wir wünschen uns Eindeutigkeit, doch unser Thema weist eine grundsätzliche Ambivalenz auf: sie stellt uns vor ein echtes Dilemma, dem Pro steht ein m. E. nach mindestens gleichwertiges Contra gegenüber. Dieses Dilemma ist aus christlicher Sicht nicht auflösbar. Es fordert uns gerade deshalb zu einer persönlichen Gewissensentscheidung heraus.
Die Contra-Position beziehe ich aus theologischer Sicht auf drei wesentliche Punkte. Diese beziehen sich auf drei Perspektiven der Organspende. Sie sind jeweils verbunden mit den unmittelbar beteiligten Personen: mit dem Organspender, mit seinen Angehörigen und schließlich mit dem Organempfänger.
1. Hirntote Menschen sind nicht tot. Sie werden durch eine geschickte Sprachregelung für tot erklärt, um an ihre lebenden Organe zu gelangen. Sie sind Sterbende, die durch die Organentnahme zu Tode kommen.
Dieser erste Punkt setzt an bei der seit ihrer Einführung 1968 umstrittenen Hirntod-Definition.
Sie ist heute bereits wissenschaftlich bzw. medizinisch hoch umstritten. Nach ihr ist ein aller Voraussicht nach tödliches Gehirnversagen ein eindeutiges Zeichen des menschlichen Todes, obwohl das Herz-Kreislaufsystem dieses hirntoten Menschen noch längere Zeit künstlich aufrechterhalten werden kann. Es muss diese lebensverlängernden Maßnahmen geben, um an lebendfrische Organe zu gelangen. Dass diese Deutung hochproblematisch ist geht aus einer Fülle von Fachartikeln zum Thema hervor, die allerdings in der medialen Öffentlichkeit als unbequeme Zwischenrufe verdrängt werden.
Beispielhaft für diese kritischen Stimmen schreibt der Arzt Stephan Sahm in der FAZ im Bezug auf die unterbleibende Diskussion in Deutschland: „Es will offenbar nicht recht passen, dass ausgerechnet im Mutterland der Hirntod-Definition, den Vereinigten Staaten, die „President’s Commission on Bioethics“ im Dezember 2008 die Gründe, die bislang zur Rechtfertigung angeführt wurden, als irrtümlich zurückgewiesen hat. […][Doch] die biologische Hirntod-Definition kann nicht aufrechterhalten werden. Die Annahme, Hirntote zeigten keine somatische Integration mehr, hat sich als falsch erwiesen. So halten Hirntote ihre Homöostase aufrecht, den Gleichgewichtszustand des Organismus. Sie regulieren Körpertemperatur und bekämpfen Infektionen, produzieren Exkremente und scheiden sie aus. Die Wunden heilen bei Hirntoten ebenso, wie ihr proportioniertes Wachstum gesteuert wird. Schwangere Hirntote können gesunde Babys austragen. Nicht zuletzt reagieren Hirntote mit Ausschüttung von Stresshormonen auf Schmerzreize. Ein britischer Anästhesist wird mit den Worten zitiert, er befürworte die Transplantation von Organen, gedenke aber nur dann einen Spenderausweis bei sich zu führen, wenn er sicher sein könne, dass er vor der Entnahme betäubt würde.“ (aus: Ist die Organspende noch zu retten ? FAZ 14.9.2010).
Auch in diesbezüglichen Diskussionen im Vatikan ist der Hirntod nicht mehr die einstmals als gesichert angenommene Erkenntnis. Benedikt XVI. erklärte in diesem Zusammenhang, eine Organentnahme sei nur „ex cadavere“ erlaubt, was wohl eindeutig nicht den so genannten Hirntod, sondern den umfassenden biologischen Tod des Menschen impliziert.
Hirntod-Kriterium
Mit den Kritikern dieser Sichtweise halte ich diese Hirntod-Definition oder mittlerweile vorsichtiger formuliert dieses Hirntod-Kriterium für eine intensive Form des Wunschdenkens oder für eine durchaus ehrliche Autosuggestion – in der besten nämlich lebensrettenden Absicht. Andere, wie auch der Stuttgarter Kardiologe Paolo Bavastro, sprechen sogar von einer arglistigen Täuschung. Auf jeden Fall ist sie nicht was gerne behauptet wird: eine zweifelsfreie wissenschaftliche Erkenntnis, sondern lediglich eine Deutung in einem ganz spezifischen anthropologischen bzw. weltanschaulichen Zusammenhang, den man nicht dem Christentum zurechnen kann. Das Ziel dieser Deutung liegt in der juristisch legitimierten Beschaffung lebensfrischer Organe aus noch lebenden Menschen, deren Sterbeprozess durch eine schwere, aller Voraussicht nach zum Tode führende Schädigung des Gehirns begonnen hat, aber durch intensivmedizinische Maßnahmen aufrechterhalten werden kann.
So gesehen kann der Akt der Entnahme von Organen, der unter schlagendem Herzen geschieht moraltheologisch eindeutig als Tötungsakt verurteilt werden, auch dann wenn er der Rettung anderer gilt. Alles andere wäre so gesehen eine christlich nicht verantwortbare Abwägung zwischen Leben und Leben – sie ist unvereinbar mit der absoluten Würde des Menschen.
Leib-Seele-Einheit
Die Sichtweise, die den Tod des Menschen nicht mit einem vermeintlichen Tod seines Gehirns identifizieren kann, entspricht m.E. nach eindeutig der biblisch – christlichen Auffassung vom Menschen als unteilbare Leib-Seele-Einheit. Wie diese Verbindung von Leib und Seele aussieht und was damit im Tode geschieht ist ein wissenschaftlich uneinholbares Geheimnis. Das menschliche ‚Personsein‘ kann nicht in einem isolierten Körperteil des Menschen verortet werden, es ist im ganzen lebendigen Leib als Lebensprinzip präsent.
Liest man OP-Berichte von Organentnahmen verstärkt sich der kritische Blick: Die angeblich toten Spender mit dem schlagenden Herzen und der atmenden Lunge müssen fixiert werden, dass sie sich nicht aufrichten oder gar um sich schlagen. Ihr Blutdruck steigt nach der Öffnung des Leibes signifikant an. Sie werden mit Muskelrelaxantien ruhig gestellt. Sie, die angeblichen Leichen erhalten aus „humanitären Gründen“ zuweilen sogar eine Narkose.
In der Schweiz ist diese Vollnarkose für die angeblichen Leichen sogar zwingend vorgeschrieben. Eindeutiger können sich die Vertreter des Hirntodkriteriums wohl kaum selbst widersprechen. Hiermit leite ich zum zweiten Punkt über:
2. Die Angehörigen von Organspendern oder hierfür freigegebenen Menschen können durch die erlebten Umstände und Vorgänge vor, während und nach der Organentnahme schwer belastet oder sogar traumatisiert werden.
Dieser Punkt bezieht sich auf einschlägige Berichte von Angehörigen, die sicher nicht repräsentativ sind, aber das Potential traumatischen Erlebens aufzeigen. Über 80 % der Organspender haben nicht in die Organentnahme eingewilligt, sondern wurden von den Angehörigen dafür freigegeben. Welches sind die diesbezüglichen problematischen Erfahrungen ? Die Angehörigen befinden sich i. d. Regel in einem emotionalen Ausnahmezustand, da ihr Familienmitglied meist durch einen Unfall zu Schaden kam. Sie werden in dieser Situation daraufhin angesprochen, ob der Sterbende – oder bereits als hirntot Eingestufte – mutmaßlich zur Organspende bereit gewesen wäre – meist unter Hinweis darauf, dass so im Tod die Lebensrettung anderer möglich sei. Betroffene berichten zuweilen von emotionalem Druck der sublim aufgebaut wurde. Dies entspräche Presseberichten, nach denen die Deutsche Stiftung Organspende rhetorische Schulungen für ihre Mitarbeiter anbietet, um so möglichst viele Organspender zu rekrutieren. Besonders kritisch scheint mir dabei folgender Punkt zu sein. Dass das Hirntod-Kriterium strittig ist wird in diesem „Werbegespräch“ natürlich in aller Regel nicht erwähnt, ebenso wenig die nur schwer annehmbaren Umstände der Organentnahme, die vorhin dargestellt wurden.
Subjektive Rückschau
Die Begegnung mit dem freigegebenen Leichnam erfahren Angehörige u. U. als besonders gravierend, ja traumatisierend. Man hatte sich von einem atmenden, scheinbar schlafenden Angehörigen verabschiedet bzw. gerade nicht verabschieden können, denn er konnte nicht im Sterben begleitet und dann als Toter wahrgenommen werden. Man hatte ihn in subjektiver Rückschau betrachtet ausgeliefert. Nach einer umfassenden Organ- und Gewebeentnahme ist der Leib des Angehörigen u. U. schwer entstellt, auch sein Gesichtsausdruck kann auf ein schweres Sterben hindeuten. Danach hadern Angehörige u. . mit ihrer Entscheidung, sie fühlen sich schuldig, getäuscht und klagen dann begreiflicherweise die Transplantationsmedizin an. Nähere Details findet man unter www.kao.de. Ich komme nun zum 3. Punkt: auch auf der Seite der Schwerkranken auf der Warteliste lauern Gefahren.
3. Patienten auf der Warteliste müssen mit schweren emotionalen Komplikationen rechnen.
Besonders belastend für Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, ist zunächst die persönliche Situation zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Man befindet sich ja in der Situation einer Wette auf Leben und Tod. Diese existentielle Anspannung schlägt dann nicht nur auf das eigene Lebensgefühl, sondern auf die mitmenschlichen Beziehungen voll durch und kann zur extremen familiären Belastung werden. Hinzu kommt eine zweite, oft nicht minder belastende Emotion. Man muss auf den rechtzeitigen Tod eines Organspenders und auf den rechtzeitigen Tod von Mitbewerbern auf der Warteliste hoffen. Damit einher gehen insbesondere bei religiösen Menschen Schuldgefühle, insbesondere dann, wenn man um die prekären Umstände der Organentnahme weiß. Psychotherapeutische Maßnahmen werden dann u. U. notwendig.
Und dazu noch ein Drittes: Falls man die Wette verliert, hat man besonders nach religiöser Überzeugung eine wesentliche Chance vertan: das Leben in der letzten Phase abzurunden. Das könnte so aussehen: Mit sich und seinem Sterbenmüssen ins Reine kommen, sich gut und möglichst versöhnt von den Angehörigen und Freunden verabschieden, sich im Glauben auf das im eigenen Tod Kommende vorbereiten – das sind die spirituellen Aufgaben am Lebensende, die man auf der Warteliste wohl kaum angehen kann.
Fazit: die moderne Medizin hat uns nach 150 Jahren großartiger Heilerfolge einen extremen Ausläufer beschert: die Transplantationsmedizin. Unsere Gesellschaft mag sie feiern als Speerspitze im Kampf gegen den Tod – aus religiöser Sicht ist sie meiner persönlichen Ansicht nach eine Verzweiflungstat, die theologisch nicht ausreichend gerechtfertigt werden kann. Die exklusive Lebensrettung Einzelner ist belastet durch sehr problematische Begleitumstände auf Seiten aller Betroffenen: vom Spender über seine Angehörigen bis hin zum Organempfänger.
So stehen wir vor einem unauflösbaren Dilemma: Die Befürworter müssen die abgründigen Begleitumstände auf Seiten des Spenders, der Angehörigen und des Patienten auf der Warteliste sehen und verantworten. Als Gegner oder Verweigerer muss ich in der Konsequenz auf mich nehmen, dass das Leben Schwerkranker nicht verlängert werden kann.
Hartmut Sättele meint
Organspenderei ist die Verlängerung der
milliardenfachen brutal qualvollen Tötung
von Tieren.
Vegetarie /innen und Vegbaner/innen
bekommen schwerlich Probleme, wie etwa Tumore
in den Verdaungsorganen.
Das Leben ist eine Einheit und auch Tiere
haben ein unsterbliche Seele(Drewermann)
und eine Mutter und einen Vater.
Ersatzteilmedizin ist materiell und spirituell im Materialismus befangen.
Eine gutes Geschäft für manche Medziner .
Siehe: Albert Schweitzers Erfurcht vor dem Leben.
brumbär meint
Das ist doch völliger Unsinn!!
Wolfgang Bräun Dipl.Vw. meint
…wenn der brumbär jetzt
noch’ne Begründung geliefert hätte
Erdmute Wittmann meint