Die Diagnose traf den 61-jährigen Friedrich B. aus heiterem Himmel: Prostata-Karzinom nach pathologischem Befund auf die rektal vorgenommene Biopsie. Als ihm auf die OP in der 2. Woche im Krankenhaus zusätzlich Tabletten wegen einer bakteriellen, fiebrigen Entzündung verordnet wurden, ließ der mündige Patient B. keine Frage aus, weshalb, wieso, warum und mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen sei …
Ob nun 61, 71 oder deutlich an Lebensjahren drüber – zahlreiche kritische Ärzte schätzen, dass wegen der Einnahme zuvieler Medikamente bei gleichzeitig bestehender Erkrankungen deren Neben- und Wechselwirkungen 35 Prozent aller Beschwerden von Senioren verursachen. Und eben wegen dieser Multimorbidität nehmen quasi als „Teufelskreis“ die gleichzeitig verordneten Medikamente zu.
Kann ein guter ‚Verordner‘ noch bei bis zu drei Arzneien die Wechselwirkungen abschätzen, ist dies ab acht Präparaten (!) eigentlich nur noch mit Hilfe eines Computers möglich.
Und obwohl die Alten die soziale Gruppe sind, die in der gesamten westlichen Welt am stärksten und schnellsten wächst, haben sie nicht „die“ Lobby, die an mehreren Fronten für sie kämpft. Auch nicht pharmakologisch!
Dies nun führt über die Arzneimittel-Fehlversorgung dieser Gruppe auch zur Tatsache von 20.000 Arzneimittel-Toten pro Jahr bei „nur“ 5000 Verkehrstoten pro Jahr.
Und weil die Wirkung der Medikamente meist an jungen Probanden getestet wurden, wird missachtet, dass der alte Organismus sich über Ausscheidung und Zielorganen für die Arzneimittelwirkung deutlich verändert.
Wilde Mischungen für Senioren!
Nach einer Ruhr-Studie in Bochum werden älterer Menschen mit Medikamenten „besorgniserregend“ behandelt. Verordnet würden durch mehrere Ärzte „wilde Mischungen von Wirkstoffen“, die sich gegenseitig aufheben und Wechselwirkungen hervorrufen, die keiner mehr kennen und analysieren kann…
Eine jüngere Befragung bei zweieinhalb tausend Patienten über 70 Jahren ergab, dass im Durchschnitt täglich sechs verschiedene Medikamente eingenommen werden. Mit zunehmendem Alter steigend…manchmal mehr als zehn: Präparate zu Blutdruck, Blutfett und Diabetes.
Da wirken dann Schmerzmittel gegen Arthrose negativ auf die Nierenfunktion. Das steigert den bereits erhöhten Blutdruck, der bereits wird.
Mehrfacherkrankungen verschiedene Arzneimittel gleichzeitig können folglich schwere gesundheitliche Folgen auslösen. Da führen Nebenwirkungen schon mal schnell ins Krankenhaus.
Ein Lösungsansatz ist bereits gegeben: das Bundesforschungsministerium fördert ein Projekt, die medikamentöse Therapie für Senioren zu verbessern.
Bei fehlenden Daten, wie Medikamente altersbedingt wirken, wollen Wissenschaftler herausfinden, welche Medikamente in welcher Kombination für alte Menschen überhaupt geeignet sind.
Für Senioren umdenken!
Die Gefahren aus gleichzeitigem Konsum mehrerer Medikamente sind genau so hoch, wie es unmöglich ist, alle Erkrankungen gleichermaßen behandeln zu können. Hier die Balance in der Medikation zu finden, ist besonders wichtig.
Ein Patient mit 80, mit Bluthochdruck und Arthrose, wünscht sich, den Alltag bewältigen zu können, wofür er zunächst Schmerzmittel braucht. Sein Bluthochdruck, wenn auch mit höherem Schlaganfallrisiko, ist ihm weniger wichtig.
Somit sind in der Medizin langfristige Risiken und deren Prävention einzuschätzen, was bei 30- oder 40-Jährigen richtig ist, wo aber ältere Personen zunächst die Beschwerden los werde wollen, durch die sie im Alltag eingeschränkt sind. Da spielt die nahe Zukunft eine weniger wichtige Rolle.
Positiv oder doch negativ…?
Forscher in Bochum benannten nach amerikanischem Vorbild für 131 häufig verordnete Arzneien drei Kategorien: für Ältere unbedenklich, für Ältere nicht geeignet und für Ältere nur unter Vorbehalt empfehlenswert.
Allein 82 Arzneistoffe wurden dabei als potenziell nicht angemessen eingestuft, da deren Wirkstoffe bei Älteren verstärkt zu unerwünschten Nebenwirkungen führen können.
Wenn also Mitteln gegen Blasenschwäche oder Darmprobleme bei Älteren deren Gedächtnis belasten oder Kreislaufmittel die Sturzgefahr und Psychopharmaka in hohem Alter das Risiko Schlaganfall erhöhe, sind Alternativen notwendig: nur 26 Medikamente auf der Liste sollten uneingeschränkt grünes Licht für deren Verschreibung an Senioren erhalten.
Der gute Saft der Grapefruits
Und damit der Laie richtig staunt: Grapefruitsaft kann Enzyme hemmen, die im Körper für den Abbau von vielen Arzneistoffen verantwortlich sind. So könnten Grapefruits die Wirkung verschiedener Medikamente verstärken und zu vermehrten Nebenwirkungen führen, wissen nicht nur Funktionäre der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
Eine Tatsache, die auch häufig verordnete Medikamente gegen Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Fettstoffwechselstörungen und andere chronische Erkrankungen betrifft.
Fazit: Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker!
Valentin meint
Vielen Dank für ihren Artikel. Es ist erschreckend, wie viel Menschen an Arzneitmittel sterben, die wahrscheinlich gar nicht notwendig gewesen wären.
Mustermann meint
Jedes Präparat für sich genommen, ist therapeutisch sicher indiziert.
Schlecht wird es nur, wenn der alternde Patient glaubt,
sich das ewige Leben zu sichern, je mehr Medikamente er einnimmt.
Irgendein Zipperlein muss man dann halt aushalten…
Man(n) kann sich ja bei Bluthochdruck mehr an der frischen
Luft bewegen, statt sonntags pünktlich um 11.45 h im Restaurant aufzutauchen…
Und zuviel gegessen wird selbst im Alter immer noch!