Lehrer müssen begeistern!
Harald B. hat Mitte der 60-er Jahre wie viele hundert andere im B-Zug während zwei Kalenderjahren bei drei Oberstufenklassen sein Schmalspur-Abitur an einer Wirtschaftsoberschule gebastelt. Seine Deutschlehrerin wiederholte ihre Auffassung damals öfters: Mut zur Lücke. Die Schulreform damals: Schuljahresbeginn nach den großen Ferien statt nach Ostern!
Sechs Jahre später wurden frühere Lehrer seine Kollegen oder eben umgekehrt. Harald war als studierter BWL-er als Referendar an die Schule zurück gekehrt, an der er zwei Jahre Schüler war.
Wenn Harald B. heute, nach inzwischen 37 Jahren, bei seinen Schülern ein ‚feedback‘ einfordert, ist die Mehrzahl von ihm begeistert; von seinem Humor, seiner Art des Vortrags, dem Klima im Klassenzimmer und auch davon, dass man schon mal ’ne Klassenarbeit schreiben darf und dabei die eigenen Unterlagen verwendet und vor llem, das B. keinen Stress macht. Auch nicht mit Hausaufgaben…
Dass B. gemocht wird, steht außer Frage. Nur mache er zu gute Noten glauben die Kollegen in den Parallel-Klassen. Da darf der Beste in Mathe ruhig 13, 14 Punkte haben…nur nicht in Haralds Fächern wie BWL, VWL oder Rechnungswesen….Warum? Tja, warum nicht…?
Wenn Eltern hoffen, dass der Sohn irgendwie sein Abi macht, um Anwalt oder Arzt zu werden, dann darf der ruhig mal die siebte Klasse wiederholen, er darf auch in der Oberstufe ein mal hocken bleiben, doch müssen mehr als nur ausreichende Zulassungspunkte und Kurse fürs Abitur in 12 und 13 schon drin sein.
Wie aber, wenn es in den Hauptfächern tatsächlich nicht klappt, die Lehrer verärgert und die Eltern verzweifelt sind? Nur der Bub scheint wenig bekümmert. Dann mach‘ mer halt ’ne Schreinerlehre. Das Pennälerleben als Glücksache? Vielleicht kommt später doch noch das Abend-Abitur?
Gestörte Lernbiografie
Wer oder was aber ist schuld an einer gestörten Lernbiografie? Was kommt als Frustration hinterher? Wo lag die Ursache an der verbrauchten, jedoch nicht effizienten Energie. Auch an der des Lehrers…?
Ganz einfach: Lernen muss wirkungsvoll sein – Schulerfolg muss sozial gerechter sein – mit mehr Geld steigt angeblich das Niveau an den Schulen. Denkste!
Denn nicht nur Harald B. weiß längst, dass es die Lehrpläne sind, die nicht mehr erfüllt werden können. Zuviel Stoff, zu abstrakt die Inhalte, zu groß die Klassen, Grundlagen werden ausgeblendet – Kollegen in den Lehrplan-Kommissionen müssen es schließlich wissen.
Wenn einzelne der Besten dann noch ihr Steckenpferd reiten und sie Lehrbücher raus bringen, die wie zufällig zum Lehrplan passen, dann hat der reale Pädagoge gut zu tun. Von wegen eigenverantwortlicher lernen lassen und dabei erfolgreich motivieren.
Klar doch: Lehrer sollen nicht nur Wissen anbieten und Können feststellen; sie sollen auch Leistungsfähigkeit verbessern. Wie das geht?
Ganz einfach: positive Lernkultur schaffen, ressourcen-orientierte Beratung auf systemisch-lösungsorientierter Basis bieten, bedarfsorientiert nach dem Mini-Max-Prinzip trainieren und alles ergänzen durch lernstil-orientierter Strategien, meta-kognitive Kontrollen sowie motivational-volitionaler Stützung – so oder ähnlich in einem nordrhein-westfälischen Schulamtsblatt…
Außen vor bleiben der Mensch, der Schüler, seine Gefühle, das zwischenmenschliche Miteinander? Bildungsreform verkennt meist Beziehungen, achtet wenig auf kleinere Klassen und bessere Lernmittel.
Und dabei bräuchten die Schüler Erwachsene, die man fragen kann, die gerne etwas erklären, die sich nicht ärgern, wenn einer begriffsstutzig ist in seiner pubertären Haltung, die ermutigen, sich Schwierigem zu stellen.
Wie aber soll Schule wirken? Wie soll ein Lehrer die Beziehung zum Gegenüber einordnen und gestalten?
Ob jähzorniger Gesamtschullehrer, abgehobener Studienrat oder engagierter Hauptschullehrer – sie alle sollten wissen: Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer, so der Renaissance-Gelehrte Erasmus von Rotterdam.
Doch was fehlt dem Lehrer? Einsicht darin, dass er trotz schulischer Ansprüche gemocht werden will, dass der Anspruch an Selbstständigkeit überfordert und dass des Lehrers Psychologie eigene Gefühle und die Resonanz auf den Unterrichten eher in Missverständnis, Ärger und Überforderung umschlägt.
Glaubt man den Pädagogik-Wissenschaftlern, dann fehlt „dem“ Lehrer Selbstbewusstsein und Menschenkenntnis, Führungsfreude und Einfühlung.
Also, liebe Lehrer: mit Wohlwollen, Durchblick und herzlicher Konsequenz kann es gelingen, Erwartungsdruck, Entmutigung und Freizügigkeit in Gleichklang zu bringen und zum pädagogischen Spezialisten gegen Entwicklungsstörungen und für eine Bildungswende zu werden.
Im Westen nichts Neues: Auf die Lehrer kommt es an! Das war schon 1967 so!
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