Die Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn werden lauter. Jüngst haben sich auch die Teilnehmer am 68. Deutsche Juristentag dafür ausgesprochen. Denn Mindestlöhne sorgen immer wieder für politischen „Zündstoff“, sind doch Politiker, Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter über Sinn und wirtschaftlichen Effekt uneins.
Noch sind es neben Deutschland weitere sechs EU-Mitgliedsstaaten, in denen es keinen gesetzlichen und Branchen übergreifenden Mindestlohn gibt. Noch immer gelten Tarifverträge für die Arbeitsentgelte in den Wirtschaftszweige oder 400 Euro-Jobs finden bei überhöhten Wochen-Stunden ihre Partner.
Als Grundlage für Mindestlöhne gilt im allgemeinen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), wonach Branchen aufgenommen werden, für die ein tariflicher Mindestlohn vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Antrag der Tarifparteien festgesetzt werden.
Doch nur wenn mindestens die Hälfte aller Arbeitnehmer tarifgebundenen arbeitet und zugleich ein öffentliches Interesse besteht, kann das Ministerium den Tarifvertrag über den Mindestlohn nach § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) als „allgemeinverbindlich“ erklären oder als Rechtsverordnung umsetzen.
Daneben ermöglicht das Mindest-Arbeitsbedingungen-Gesetz (MiArbG), Mindestlöhne auch dort festzulegen, wo weniger als jeder zweite Arbeitnehmer Tarif gebundenen arbeitet. Doch dieses Gesetzes zu aktivieren sei bislang an der „fundamentalen Uneinigkeit der politischen Parteien über die Handhabung des Mindestlohn-Problems gescheitert“.
Ab 6 fünfzig aufwärts
In Deutschland gelten Mindestlöhne nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im September 2010 in vier Baubranchen (Bauhauptgewerbe, Maler- und Lackierergewerbe, Elektrohandwerk, Dachdecker), in der Abfallwirtschaft, bei Bergbauspezialarbeiten, der Gebäudereinigung, bei Wäschereidiensten sowie seit 1. August für Pflegeberufe.
Hier verdient man zwischen 6,50 Euro pro Stunde (Wäschereidienste für Objektkunden in den neuen Ländern und in Berlin) und 12,95 Euro (Baugewerbe im früheren Bundesgebiet).
Und doch gibt es noch eine Lohn-Untergrenze, die vereinbart werden darf und die sich nach der gesetzlichen Regelung über sittenwidrige Rechtsgeschäfte, § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) richtet. Maßgeblich ist, ob und wie sich ein objektiver Wert der Arbeitsleistung bestimmen lässt.
Wider die guten Sitten
Als „sittenwidrig“ gilt nach dem Bundesarbeitsgericht ein Vertrag dann, „wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und weitere als sittenwidrig zu beurteilende Umstände hinzukommen“.
Die Justiz geht von einem „Lohnwucher“ dann aus, wenn die Arbeitsvergütung geringer ist als zwei Drittel eines in der betreffenden Branche Region üblicherweise gezahlten Tariflohnes (April 2009, Az.: 5 AZR 436/08).
Trotz Rechtsprechung gegen Lohnwucher würde ein gesetzlicher Mindestlohn dazu beitragen, dass dieses Betrag nicht unterschritten werden. Doch eben das geschieht, wenn branchenübliche Arbeitsplätze ausgelagert werden oder schlechter bezahlte Leiharbeitnehmer heran gezogen werden.
Und eine Klage gegen Lohnwucher läuft dort ins Leere, wo im Niedriglohnbereich und unterhalb von zwei Dritteln des Durchschnittslohns bezahlt wird. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro, so die Prognose der Gewerkschaften, könnte Lohndumping verhindern und gleiches Entgelt für Man und Frau schaffen, da vor allem Frauen von Niedriglöhnen betroffen seien.
Ein allgemeiner Mindestlohn wäre zudem transparenter und klarere für die Stärkung des Binnenmarkt. Doch dazu müsste man den Zusammenhang zwischen staatlichen Transferleistungen und Arbeitsentgelt in den Blick nehmen.
Das Modell eines Kombi-Lohnes belastet nämlich über den Niedriglohnbereich die Sozialkassen, dem ein einheitlich angemessener Mindestlohn entgegen wirken könnte. Das wiederum könnte verhindern, dass sozialrechtliche Transferleistungen bis ins hohe Alter notwendig sind.
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