Autos für Mao’s Enkel nach Stadtplan bauen
Martin Berger, 61, (Name vom Autor geändert) ist Fachlehrer für SWL an einer der zahlreichen Kaufmännischen Berufschulen im Süden der Republik. Seine Schüler der Fachklassen für ‚Automobil-Kaufleute‘, die meisten mit Führerschein, wenn sie ihre Lehre beginnen, bedauern ihn manchmal. Nicht wegen der Tatsache, dass er sich gegen die Phalanx der jugendlichen Auto-Freaks von Woche zu Woche durchsetzen muss, sondern weil ihm selbst am Statussymbol ‚Auto‘ wenig liegt, er „nur“ ein ‚Modus‘ von Renault fährt und den, weil die Franzosen hierzu einen exzellenten Rad-Träger als überaus praktisches Zubehör entwickelt haben
Damit passt des ‚Oberlehrers‘ Ansicht über den Anspruch an Mobilität zwischen A und B auch zu der des ehemaligen Managers Daniel Goeudevert: Die Zukunft der Automobil-Industrie liegt nicht in Luxus-Modellen, sondern in Vehikeln für eine intelligenten Mobilität.
Doch dazu müsste die deutsche Autoindustrie radikal umdenken, so der ehemalige Auto-Manager Goeudevert, der durchaus in Marktpositionen denkt.
Auch wenn man es kaum besser weiß, gebe es keine Überkapazitäten in der Autoindustrie, sondern nur Überkapazitäten bei den Autos, die gerade gebaut werden. Tenor eines Interviews mit der Nachrichtenagentur dpa.
Mobilität als Produkt
Wenn also die deutschen Autobauer glauben, dass sie tätig seien im Markt für Luxusgüter, muss dies als falsch gelten, weil ihr ‚Mobilität‘ ihr Produkt sei. Für den ehemalige VW-Vorstand stellt sich dies in China oder in Indien dar, wo es
ein riesiges Bedürfnis an verkehrlicher Mobilität gebe, was dann aber auch neue Konzepte erfordere.
Goeudevert, die ‚graue Eminenz‘ bei allen Fragen, bei denen es in Talk-Shows oder an ökologisch orientierten TV-Stammtischen ums Automobil geht, rechnet hoch, dass Produktion an Fahrzeugen in den kommenden zwanzig Jahren weltweit von derzeit rund 65 Millionen auf 120 Millionen Fahrzeuge steigen wird.
Gibt es in Europa derzeit 500 Autos je 1.000 Einwohner, sind es in China und Indien erst acht bis 15. Da fehlt noch einiges um auf westliche Zahlen zu kommen, doch werden die großen Nachbarn der ‚Tigerstaaten‘ kräftig aufholen.“
Es muss angenommen werden, dass „der Chines‘ “ nicht länger versuchen wird, die die Premium-Standards der konventionellen Super-Autos der USA und der Europäer nachzubauen. Viel eher ist zu erarten, dass an den Lösungen gegen den Stau in den Mega-Städten gearbeitet wird.
Nicht nur für Goeudevert, für die meisten Kraftfahrer in Mitteleuropa ist es ein dauerhaftes Rätsel, warum im Land der Dichter, Denker und Erfinder das Problem ‚Stau‘ Tag für Tag zu einem wahren Nachrichten-Block bei den Rundfunksendern werden kann und sich demnach nur wenige mit einer Lösung beschäftigen. Tatsache also: in Region mit höchster Bevölkerungsdichte in Europa besteht ständige Staugefahr.
Steter Blick auf die andern…
Wenn die Entwickler, Ingenieure und Visionäre im Autobau schon viel zu viel Zeit verloren haben, so Goeudevert, gilt die begleitende Tatsache, dass seit der Ölkrise in den 1970er Jahren ein (bedingter) effizienter Zugewinn im Autobau „durch „Technikspielereien aufgefressen“ wurde. Denn heutige Autos sind 300 Kilo schwerer und ausgestattet mit Technik, die viele der Fahrzeughalter gar nicht nutzen. Nicht nutzen können.
Für den absoluten Experten beweist sich dann der Autobauer größter Fehler: die zu einseitige Orientierung an der Konkurrenz. Hersteller beobachten sich gegenseitig, statt auf die Kundschaft zu achten. Die aber verändern sich tatsächlich, auch ihre Bedürfnisse nach verkehrliche Mobilität, ihre Bewertungen und vor allem sich selbst. Wer es weiß, kann sogar behaupten: in der Innenstadt von Paris nur noch 40 von 100 Bewohnern ein Auto.
Wird nicht der Zwang zur Umkehr erkannt, bleibt es bei der Produktion von „Mehr-Auto“ statt „Weniger-Auto“. Um auf den Märkten der Boom-Towns an die Kunden von morgen zu kommen, sind Ideen zu entwickeln. Doch die gibt es nur dann, wenn Auto-Bauer und deren Bosse sich mit Stadtplanern zusammen setzen…
Martin Berger hat 440 Meter zu seiner Schule und die fährt er noch mit dem Fahrrad.
*) Daniel Goeudevert (31. 1. 42 in Reims) war Deutschland-Chef von Ford und Renault sowie VW- Vorstandsmitglied. Der in Frankreich geborene Wahl- Schweizer gilt als Querdenker, der schon in den 1990er Jahren für ökologischere Autos stritt. Er ist heute französischer Literat, war Automanager und Unternehmensberater, lebte und arbeitete lange in Deutschland; wohnt heute in der Nähe von Genf.
Heute beteiligt sich Goeudevert u. a. aktiv in der Diskussion über die Bildungsmisere – speziell in Deutschland – und zu Themen der industriegesellschaftlichen Perspektive unter dem Diktat wachsender Umweltprobleme und schwindender Rohstoffe.
Daniel Goeudevert hatte Sitze in mehreren Aufsichtsräten internationaler Firmen inne. Er war Mitglied des Club of Rome und erster Vizepräsident des Internationalen Grünen Kreuzes, der Umweltschutzstiftung von Michail Gorbatschow.
Von 1998 bis 2000 war er Vizepräsident von FEDRE (Fondation pour l’Economie & le Development de Regions d’Europe). Seit 1998 ist er Vizepräsident von EFI (Europe Finance et Industrie). Er bekleidet daneben einen Beraterposten bei der UNESCO.
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