Schuljahre ohne „hocken bleiben“ und ohne Hausaufgaben?
Der Oberstudienrat a. D. nannte sich einst „unter den Guten einer der Besten!“ Und das war auch sein Unterrichtsziel: alle seine Schüler mögen gut sein und die Klassen-Spitzen sind nicht ausgeschlossen. Ist dann noch die Prüfungsanforderung der „heimliche Lehrplan“, dann hat man als alles in allem beliebter Pauker den Bogen raus…
Kommt es jedoch wie Anfang März 2014 zum Pro & Contra zweier Vorsitzender, dem Bundeselternrat Hans-Peter Vogeler und dem Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Heinz-Peter Meidinger, dann gilt die Frage – wie schon seit einiger Zeit diskutiert: Sind Hausaufgaben und Sitzenbleiben als bisher erzieherische und organisatorische Grundpfeiler der Schulen noch zeitgemäß? Was gilt als „die“ sinnvolle Entwicklung? Welche Rolle sollen Zensuren und Zeugnisse in der Schule noch spielen? Dürfen Lehrer Druck aufbauen…?
Für Eltern, wie Hans-Peter Vogeler, den Bundes-Vorsitzenden aller deutschen Elternräte, steht fest: dass es die Zensuren seien, die einem Bildungswege öffnen oder verbauen. Doch ist nicht auch richtig, dass die Teilnahme an der Olympiade von der Qualifizierung abhängt.
Wertungen, Bewertungen, Standards bestimmen also auch im gesellschaftlichen Leben das Vorankommen, die Versetzung und den Zugang zu anderen Schulformen.
Und weil sie nun mal auch Abschlusszeugnis stehen, mit dem man sich bewirbt, ist es es als Ausbilder und Inhaber, als Meister oder Personalleiter nun mal ein Maßstab, mit dem man sich bewirbt.
Vogeler liegt also wohl nur dort auf anerkannter Eltern-Linie, wo Ansprüche des Bildungsbürgertums noch nicht erfüllt sind: wenig Bücher, viel Fernsehen, viel passive Unterhaltung in der Freizeit…
Denn Zensuren sind wohl für die meisten Lehrer noch immer die objektive Bewertung darüber, wie ein Kind, ein Jugendlicher den gewünschten Gehalt aus dem Unterricht als Wissen, Kenntnis, Anwendung oder Urteilsfähigkeit aufnimmt.
Da mag schon stimmen, dass Kind noch anderes kann und weiß, doch gibt es eben kardinale und ordinale Bewertungen. Dass nun Lehrer Lehrer Zensuren als als Druckmittel benutzen, ist als Argument dann aber doch ein alter Hut. Es reicht nun mal nicht, Lernstand und Leistung wie in der Grundschule anzugeben: … beherrscht den Zahlenraum von 1 bis 99.
Noten- Renaissance im Norden
Nicht nur für den Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Heinz-Peter Meidinger haben Noten nach wie vor eine bedeutende Rolle, um Schüler richtig einzuschätzen, den Zensuren gegen individuelle Rückmeldungen über den Leistungsstand in verschiedenen Fächern und sind eben keine Werturteile.
So entsteht Druck durch Noten eher durch Eltern, wenn diese die Zensuren zu hoch bewerten, was eben Kinder und Heranwachsende instinktiv spüren.
Doch Noten sind auch nichts Zufälliges, was durch die Abi-Durchschnittsnote empirisch belegt wird, die die höchste Prognosekraft für den künftigen Studienerfolg darstellt.
So führt man fortschrittlichen Skandinavien in den Klassenstufen 6 und 7 die Ziffernbewertung wieder ein, und dies Reaktion auf miesen Ergebnisse bei PISA 2012.
Schadet Sitzenbleiben?
Es soll Zeiten gegeben haben, da waren in den 60-ern die populärsten Typen an den Gymnasien jene, die mindestens eine Ehrenrunde drehten. O-Ton des Fachlehrers: „Richie, wenn ich der Teufel wäre, hätte ich dich schon längst geholt…!“.
Doch Klassenwiederholung hängt ausschließlich von den Zensuren ab, auch wenn dies sozial „teuer und ineffektiv“ ist, kann es doch eine Chance sein und muss nicht zu Frust und mangelnder Motivation führen.
Als höchster deutscher Elternvertreter muss Vogeler wohl der Ansicht sein, dass Sitzenbleiben leistungsmäßig nichts bringe und wohl nur der Motivation schade. Auch müsse der Wiederholer seinen Platz in einer neuen Klasse finden, er wiederhole Fächer, in denen er den Stoff schon könne und er nur in zweien schwach war… Stelle man dies als „ungeeignete Lernhaltung“, so der oberste Bundeselternrat, werde ohne spezielle Förderung nichts besser.
Zensuren als Glaubenskrieg
All dem widerspricht, dass in den letzten zehn Jahren immer weniger Schüler – auch an Gymnasien – wiederholen mussten. Auch wenn es „unnötige Klassenwiederholungen“ gibt, gegen die nicht rechtzeitig gefördert und interveniert wurde, kann durchaus ein Neustart Stofflücken schließen helfen. Mancher wiederholt sogar freiwillig und sieht im Zusatzjahr eine echte Chance.
Somit gefährdet Sitzenbleiben weder die Identität und traumatisiert auch nicht. Im Gegenteil – man sogar Selbstwertgefühl gewinnen. Wird in der Folge der angestrebte Schulabschluss dann doch erreicht, dürfen auch die sozialen Kosten nicht aufgezählt werden.
…und dann auch noch Hausaufgaben!
Wer Hausaufgaben als „Hausfriedensbruch“ betrachtet, der mag argumentieren, dass Stoff schon mal in der Schule verstanden worden sein muss. Richtig! Doch kann man auch über Hausaufgaben erkennen, wo der Zugang zum Lernstoff noch fehlt.
Neue Lernwege zu zeigen, ist dann sehr wohl die Aufgabe der Lehrer . Die entdeckt der Schüler aber nicht allein zu Hause. Sind Hausaufgaben ‚banal‘, sind sie allerdings doch eher überflüssig bis kontraproduktiv.
Dem Wert von Hausaufgaben kann man aber folgen, wenn man die Hausaufgaben von zwei Faktoren abhängig macht:
* sie sind so zu stellen, dass sie der Schüler gut bewältigen kann und
* zum anderen sollte man sie ordentlich erledigen und sie sollten auch kontrolliert werden.
Klar ist, dass Eltern nur bedingt helfen können, aber sie deshalb zu verbieten…?
Fazit aus Lehrers Sicht: Hausaufgaben sollten machbar sein; es darf auch einmal eine Aufgabe nicht gelöst werden; der Lehrer erhält ein Feedback, was nochmals geübt werden sollte.
Und schließlich sollten Hausaufgaben- und Ganztagsbetreuung genutzt werden, und dies nicht nur von Kindern aus sozial benachteiligten Familien.
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