„Voll daneben ist auch vorbei“, kann man all jenen sagen, die die Arbeitszeit von Lehrern noch immer für „völlig undurchschaubar“ halten. Mittags beim Golfen oder auf dem Tennisplatz, dafür Samstagnacht am Schreibtisch? Dazu 12 Wochen Ferien pro Jahr und um 13 Uhr Feierabend („Ab ein Uhr lass‘ die Arbeit ruh’n und widme dich dem Afternoon!“) und trotzdem über die Belastung klagen?
Die „Problematik“ zu verdeutlichen, hat ein Lateinlehrer namens Mess sich jetzt dran gemacht: Wie viel arbeite ich wirklich, weshalb er eine Woche lang seine Arbeitszeit minutiös protokollierte.
Er bekennt: Es waren knapp 60 Stunden, wenn auch in einer Woche der „Hochzeit“ mit gehäuften Korrekturen, Dienstgesprächen und auch Konferenz… Das nun sei nicht repräsentativ, was eben auch Lehrer-Kritiker nicht überzeugt, dass Lehrer womöglich doch fleißig seien…
Arbeitet der normale Arbeitnehmer in Deutschland pro Jahr 1645 Stunden, sind es für den Lehrer in Deutschland laut OECD 1793 Stunden pro Jahr (handelsblatt.com). In der Schweiz sogar 2072 Stunden pro Jahr (Lehrerfreund).
Was jedoch den Lehrer-Job interessant macht, sind nicht Arbeitsstunden, sondern die Verteilung der Arbeitszeit über die Woche. Und was fällt auf: Lehrer haben nie Wochenende.
Auffällig ist, dass ein Lehrer wie Herr Mess am Sonntag „nur“ vier Stunden arbeitet, obwohl eigentlich der Sonntag ja Lehrer-Tag ist. So hat Herr Mess am Samstag schon ordentlich vorgearbeitet.
Zweitens haben Lehrer meist spät Feierabend, der unter der Woche und auch am Freitag schon mal erst um 20 Uhr beginnt.
Zugegeben, Lehrer sind ihrer häuslichen Arbeitsverteilung sehr flexibel, kann doch ein Korrektur-Bock schon mal auf Samstag oder Sonntag verschoben werden.
Was dann auch bedeutet, dass viele Lehrer den Unterricht für Montag nicht am Freitagnachmittag sondern am Sonntagabend vorbereiten. Eine solche Arbeitszeitverteilung bedeutet dann auch, dass Lehrer tendenziell abends arbeiten und dann eben „mittags frei haben“.
Das nun bestimmt auch das Bild von Lehrern in der Öffentlichkeit:
wurde doch Frau Sonstwie am Montag, Mittwoch und Freitag mittags beim Tennisspielen gesehen, am Dienstag sah man sie in der Fußgängerzone beim Shoppen und freitags war sie den ganzen Nachmittag dran, ihr Auto zu reparieren. Und die Party ab Samstag 18 Uhr war nicht zu überhören.
Letztlich sind die Nachbarn davon überzeugt, dass Frau Sonstwie nichts zu arbeiten hat, da sie die ganze Zeit irgendwo rumhängt und sich entspannt. Dabei hat Frau Sonstwie in dieser Woche zusätzlich zu ihrem Regelunterricht mehr als 40 Zeitstunden zuhause korrigiert, vorbereitet, geschrieben, geschnippselt und jeden Abend der Woche am Schreibtisch verbracht. Das hat kein Mensch mitbekommen.
Der Unterschied des Nicht-Lehrers zum Lehrer ist sofort deutlich: Die Arbeitszeit ist wesentlich geregelter, es gibt deutlich definierte Freizeitphasen, in denen nicht gearbeitet wird.
Wer also hat es besser“?
Ob die Lehrern nun in einer etwas entspannteren Woche mehr Freizeit haben, wenn die Angestellte freitags schon um 14 Uhr aufhören kann oder einer von beiden tatsächlich 4 Stunden mehr oder weniger arbeitet, das interessiert nicht. Wesentlich ist die Wochen- und Tagesstruktur..
Die „zerfetzte Tagesstruktur bei der Lehrperson und die absolute Durchgängigkeit der Arbeitsbelastung ist eindeutig anstrengend. Herr Mess hat keinen Tag in der Woche frei. Der Tag, an dem er am wenigsten arbeitet, ist der Sonntag, da sind es ca. 5 Stunden. Ein solches Leben geht natürlich an die Nerven.
Andererseits ist es auch von unschätzbarem Vorteil, sich die Zeit einteilen zu können. Die Angestellte kann nicht spontan beschließen, die mittwochmittags anfallende Arbeit auf Samstagnacht zu verschieben, weil er gerade Unlust verspürt. Für einen Besuch beim Bürgeramt muss er einen halben Tag Urlaub nehmen.
Fazit
Lehrer und Angestellte arbeiten im Jahresmittel ungefähr gleich viel. Das hat sich bereits herumgesprochen. Auch wenn die Diskussion um Lehrerarbeitszeit noch immer um die Stammtische kreist…
Meist werden aber die strukturellen Eigenheiten der Lehrerarbeitszeit übersehen. Für die zahlreichen Burnout-Fälle ist möglicherweise weniger das „Wieviel“ als das „Wie“ und das „Wann“ verantwortlich.
Bleiben die energetische Belastung und die Befriedigung aus den Unterrichtssituation, die eine wichtige Rolle spielen, mit Nicht-Lehrern aber nicht diskutiert werden sollten….
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