„Niveau sieht nur von unten wie Arroganz aus!“- ein recht neues, ein geflügeltes Wort, das eher nicht aus dem Volksmund stammt, sondern den Status derer markiert, die sich nicht nur ihrer gehobenen universitären Bildung erfreuen, sondern in deren Folge auch noch „Kohle gemacht“ haben.
So lässt vor allem der Zahnarzt mit deutlich privater Klientel grüßen. Ist es doch auch bei ihm ‚Mode‘, sich über das Prekariat und deren „armselige“ gesetzliche Versicherung auszulassen. Denn die „oberen Zehntausend“ aus ihrer besseren Welt ‚verachten‘ meist jene Eltern und deren ‚Abkömmlinge‘, die sich nicht zu benehmen wissen. Ist eine solche Ablehnung nun diskriminierend oder doch nur „ungehörig und empörend“!
Der Lehrerin Heidemarie Brosche, 58, Hauptschullehrerin in der Nähe von Augsburg, bot die Süddeutsche online jede Menge Platz, um sich darüber auszulassen, ob es denn stimmen könne, was es den mit jenen auf sich habe, von denen man einen der folgenden Sätze hört: „Die sind das Letzte! – Die wissen sich nicht zu benehmen! – Die haben kein Interesse an der Schule, geben ihren Kindern null Struktur. Die handeln ohne Verantwortung.“
Gemeint sind jene Eltern, die meist auch „bildungsfern“ genannt werden. Tausende auch, die des Deutschen nur wenig mächtig sind. Familien also, denen das ‚bürgerliche Leben‘ fremd ist, was allerdings eine Mehrheit der Kinder als solches lebt und kennt.
Wann aber darf man einer ablehnenden Haltung zum Prekariat zustimmen? Wohl dann, wenn die Welt der Menschen mit wenig Bildung mal wieder beweist, dass sie anders ist als die Welt der Bildungsbürger.
Da gibt es nun mal den anderen, den weniger sozialen Verhaltenskodex. Sie vernachlässigen ihr Äußeres und ihre Körperpflege, sie sind tätowiert, ernähren sich falsch, halten nix von sportlicher Aktivität, mögen Muskel-Shirt und zugehöriges Body-Forming und lieben zu lange French-Nails… Kinder lässt man grenzenlos gewähren oder sie werden vernachlässigt und falsch ernährt. Man bekommt das Leben einfach nicht besser hin, weil es schließlich an Geld und Einsicht mangelt.
Auf so was reagiert die „bessere Welt“ mit Ablehnung, meidet solche Kreise, was gar nicht so schwer ist im Golf- oder im Tennisclub oder im Feinschmecker-Lokal. Wie es beim Plebs zugeht, erfährt man dann am ehesten im Proll-TV oder aus einschlägigen Bücher über Kevin und Chantal.
Wer aber hat die richtig Ahnung vom Leben der Alleinerziehenden und ihrer Kinder? In kaputten Familien, in den viel falsch gemacht wird. Darf man sich darüber erheben? Sich empören und als Gebildeter verachten…??
Wie aber erlangt man soziale Kultur? Durch Bildung, Beruf und Geld. Man weiß sich situativ zu benehmen, man liest, nutzt das Internet, lernt, ist tolerant, weiß richtig zu denken und zu entscheiden, reflektiert das eigene Tun und Handeln und korrigiert sich.
Schön, schön. Aber nicht jeder hat das drauf und kann oft sein Verhalten nicht anpassen.
Denn viele Menschen aus der „nichtbürgerlichen Welt“ arbeiten für Hungerlöhne in zwei bis drei Jobs. Sie leben zwischen den Kulturen, getrennt, familiär gescheitert, ohne Aussicht, Schwächen ablegen zu können. Und der Konsum lockt mit mehr als nur „echtem Cola“
Wer prekär lebt, ist meist glück- und hilflos, versucht durchzuhalten, um das Leben hin zu bekommen. Ob das immer nach Würde aussieht, muss fraglich bleiben. Doch in der Welt des guten Geschmacks und des gehobenen Konsums liegen mangelnder Anstand und Ignoranz oft eng beieinander: unsozial, unreflektiert und selbstgerecht.
Bleibt zu hoffen, dass die Reform über die Gesamtschule jenen weiter hilft, die zuhause eher nicht lesen, weil es für Bücher genauso wenig reicht, wie für die Gebührenkarte in der Stadtbibliothek.
Schade nur, dass das neue Betreuungsgeld von Schwarz-Rot wohl eher für den gewöhnlichen Konsum als für den Musik-Unterricht des Abkömmlings drauf geht.
Und eh man ’s vergisst: Pre-paid fürs Smartphon des 12-jährigen ist das Zweitwichtigste.
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