Von vielem zu wenig und von manchem zuviel = Stress
Lehrerkinder gehen aufs Gymnasium, die Mittelschicht der Handwerker und Facharbeiter schickt ihre Kinder auf eine Realschule und wer eine Migrations- oder Hartz-IV-Biographie aufweist, der sieht seine Kinder wohl am ehesten auf der Hauptschule. Doch ganz so einfach sind die Bildungschancen in Deutschland nicht zu definieren, auch wenn sie sich häufig so einstellen.
Klar ist jedoch, das gerade im Bildungswesen die soziale Gerechtigkeit für eine Gesellschaft am wenigsten zutrifft. Wenn nämlich Kinder in ihren Bildungslauf starten, kann man oft recht früh erkennen, ob dieser Start auch gelungen ist. Meist nämlich nicht…oder nicht ausreichend.
Die kontrovers geführten Diskussionen um die Hartz-IV-Sätze, um Bildungsgutscheine, Teilhabe-Pakete, Studiengebühren, Investitionen in Bildungseinrichtungen und vermeintlich genetische Schwächen bei Migrantenkindern zeigen, das es nicht nur um Bildung geht, sondern auch darum, eine gerechtere Gesellschaft zu erlangen.
Wer weiß, was gerecht ist?
Doch allein mit politischem Konzept kann soziale Gerechtigkeit nicht geschaffen werden, denn wenn nicht geklärt ist, was gerecht ist und wie man sozial mobil wird, sind die Voraussetzungen für eine demokratischen Gesellschaft nicht gegeben.
Wer glaubt, dass es „soziale Gleichheit“ gebe oder dass „Gleichmacherei“ sozial ungerecht, weil s eben unterschiedliche Begabungen gibt und individuelle Leistungen sich lohnen müsse, der darf die Verantwortung des Staates nicht klein reden.
Wie nun stellen sich politische Konzepte dar? – Da will man möglichst viele Menschen zu glichen oder ähnlichen Teilen am Wohlstand beteiligen, sie soziale sichern oder kulturell mitnehmen, doch gibt es auch Maßnahmen, die von gleichen Starts ausgehen und andere, für der individuelle Wettbewerb der Tüchtigen das höchste Maß an demokratischer Freiheit darstellt.
Was ist Ursache – was Wirkung?
Da zweifelsfrei die Ungleichheit die Ursache fast aller sozialen Probleme ist, gilt auch als Tatsache: je ungleicher eine reiche Gesellschaft ist, desto größer sind ihre Probleme. Nicht nur Sozialforscher
sinnieren über die Frage, warum der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich schlecht für alle ist.
Warum das so ist machen auch die Statistiken deutlich: Je größer die Unterschiede zwischen Arm und Reich, umso größer sind auch die sozialen Probleme wie Kriminalität, Gewalt, Drogenmissbrauch, Schwangerschaften bei Jugendlichen, schlechte Gesundheit, adipöse Physis (= Fettleibigkeit), Bildungsstand oder auch die Lebenserwartung. In allen Bereichen zeigt sich, dass Staaten, in denen dies häufig so ist, auch eine schlechte Sozialstruktur aufweisen.
Dabei geht es nicht „um ein bisschen schlechter“, sondern um wahre Missstände. So sind in westlichen Industriestaaten, in denen der Unterschied zwischen oben und unten noch zu akzeptieren ist, die Gewaltdelikte wie Mord nur ein Sechstel so hoch, womit im Vergleich auch in anderen Ländern neunmal so viele Personen wegen einer Straftat „einsitzen“.
Guter Staat – schlechter Staat
Schlechte Staaten sind jene, in denen die Einkommen der reichsten und der ärmsten 20 Prozent zum Maßstab werden, was dann auch die große soziale Kluft gleich zweifach so hoch macht bei geringer Ungleichheit. Als ungleich und als unsozial gelten die USA, Großbritannien und Portugal, vorne liegen Japan und die skandinavischen Staaten und Deutschland in der Mitte.
Um die Korrelation zwischen Ungleichheit und Bildung zu erklären, reichen volkswirtschaftliche Modelle jedoch nicht aus. Denn maßgeblich sind auch die psychosozialen Folgen mit denen die Menschen oft sehr sensibel reagieren. Man vergleicht sich nämlich im eigenen Status mit anderen.
Fazit: In einer Gesellschaft, in der Kooperation wenig zählt und die Selbstdarstellung und das Selbstwertgefühl auf materiellem Erfolg beruht, sind bereits Kinder damit konfrontiert, mit der ungleichen Gesellschaften zu leben, in der dann auch wenig Vertrauen herrscht, weniger sozialer Zusammenhalt und die Tendenz zu mehr Gewalt. Doch darf individuelle Verantwortung nicht zum Maß der Dinge werden, denn die Sozial-Epidemiologie hat längst bewiesen, dass qualitativ schlechte oder auch nur schwach soziale Beziehungen ursächlich sind für chronischen Stress.
Und so wird oft gegessen, um sich gut zu fühlen – zu fett, zu unregelmäßig, zu viel. So hat eben auch dieses Fehlverhalten Wirkung auf Stress und Angst … und damit auf die Physis.
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