Mathe ist nicht trocken: Ein Schiff wird kommen… und uns den Mund mit Mathematik wässrig machen
„Dass Mathematik bunt, vielfältig, spannend und herausfordernd ist, das kann kein Berufsberater vom Arbeitsamt vermitteln.“ (Zitat des Kolumnisten Günter Ziegler, zugleich Professor an der TU Berlin und dem Matheon und Koordinator des Jahrs der Mathematik)
Ich liebe dieses Zitat, zumal es auf humorvolle Weise nur die halbe Wahrheit sagt; denn mir ist nicht bekannt, dass ein Berufsberater irgendeines Arbeitsamtes so qualifiziert ist, dass er ein guter Wegweiser für berufliche Orientierung ist. Und die Mitarbeiter der sogenannten Arbeitsgemeinschaften, die Menschen einen Arbeitsplatz vermitteln sollen, heißen Fallmanager, was Alles und Nichts aussagt.
Darum kommen wir jetzt zum Thema Nummer Eins für alle Wissenschaftsbegeisterten: Das Wissenschaftsjahr 2008 ist der Mathematik gewidmet, der Mutter überhaupt aller Naturwissenschaften.
„Non scolae, sed vitae discimus!“ Als Altphilologin und ehemalige Schülerin eines humanistischen Gymnasiums wollte man mich unentwegt mit diesem geradezu mahnenden Spruch motivieren. „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“. In Neudeutsch heißt der Originalspot nun: „Du kannst mehr Mathe als du denkst“.
Als Sprachwissenschaftlerin bemerke ich in diesem Motto einen groben Widerspruch in sich, ein sogenanntes „Oxymoron“. Denn ich kann ja nicht etwas können, ohne dabei zu denken.
Als Werbetexterin wiederum muss ich bekennen, dass dieser Spruch aus rhetorischen Gründen richtig clever ist. Denn durch diesen Widerspruch wird mir etwas suggeriert, was ich nicht einsehen kann (lateinisch: intellegere: einsehen, verstehen). Ich kapituliere und glaube.
Der Spruch erinnert mich aber auch an eine Erkenntnis: Mir werden lebenslang die meisten Gebiete der Mathematik verschlossen bleiben. Aber, wenn ich mal etwas Mathematisches verstehe, versetzt mich dieses Erfolgserlebnis in schiere Euphorie. Ein unangekündigter Mathetest, und machen wir uns da einmal nichts vor, wir Meisten, die wir kaum etwas davon verstanden haben, war ein richtiges Druckmittel. Mathelehrer waren gefürchtet. Und sie genossen es auch noch.
Es gibt zwei Frauen, die uns vermitteln wollen, wie notwendig Mathe ist, als Grundlage für so ziemlich alle beruflichen Betätigungen, selbst Schöngeistige, und dass es auch noch Spaß macht. Diese Frauen können mindestens einmal optisch (Ja, auch für die Lehre der Optik soll Mathe eine solide Grundlage bieten) nicht gegensätzlicher sein:
Unsere Kanzlerin Angela Merkel und das aktuelle Germany’s next und noch Topmodel Barbara Meier. Letztere besticht durch wunderschönes, langes, glänzendes, hellrotes Haar und eine sanfte Stimme und ist Mathematikstudentin mit Modelpause.
2008 ist ein Schaltjahr und es bietet so ausreichend Zeit, es mit Events rund um das Thema Mathematik zu füllen. Auf der Hauptseite www.jahr-der-mathematik.de kann man sich rundum die Wettbewerbe, das oben erwähnte Schiff, das von Mai bis September im Dienste des Themas mit einigen Spielen unterwegs ist, die Initiatoren und Sponsoren informieren.
Ja, und Frau Merkel spricht zu uns in einem Podcast und versucht die Besucher der Website in dem alten Non-scolae-sed-vitae-discimus- bzw. Du-kannst-mehr-Mathe-als-du-denkst-Stil auf Mathe anzufixen. So bringt sie Worte wie „spannend“ und „anregend“ ins Spiel. Attribute der Mathematik.
Das ganze läuft nicht ohne Hintergedanken ab, denn sonst gäbe es keine Sponsoren, die vordergründig nur Eines wollen: Bildung, besonders Mathe schmackhaft machen. Frau Merkel drückt es noch pathetischer aus: Der Standort Deutschland soll als Universitäts- und Schulstandort attraktiver werden. „Viele junge Leute mögen mehr Chancen in der Mathematik in diesem Jahr, als sie es vorher getan haben.“, so sagt sie es im Podcast. Der Konjunktiv „mögen“ zeigt uns, dass sie einen Wunsch äußert.
Museen haben es längst praktiziert, das Mitmachen. Und da es sich bewährt, auf diese Weise einen Menschen von mehr passiven Betrachten in die Aktivität zu ziehen und somit eine Identifikation zu erreichen, wird das auch von den Veranstaltern des Jahrs der Mathematik praktiziert. So ziemlich jeder – außer meiner Wenigkeit, aus zu hohem Wissensmangel im Bereich Mathematik – kann „Mathemacher“ werden und sich so auch abbilden lassen. Ja, er bekommt sogar als dieser ein Emblem für seine E-Mails.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich werde mich nicht in die erste Reihe eines Matheevents als Mitspielerin begeben. Denn ich finde Blamagen heute zu der Zeit als Schülerin überproportional peinlich.
Gibt es den Begriff „überproportional“? Ich habe gegoogelt. Es scheint ihn zu geben. Und schon habe ich mich als Autorin mit Mathe befasst. So schnell erwischt es Einen. Das Fieber der Mathematik! Touchée!
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