Künstler kämpfen für den Erhalt der Handschriften
Da war er jüngst im TV, der absolute Familien-Konflikt: eine Mutter verordnet im Fernsehspiel einen Monat „offline“, auch für den Gatten und siehe da, nach wenigen Tagen des „digitalen Horrors“ greift die Teenager-Tochter zum Stift und schreibt ihrem Freund einen schmachtvollen Liebesbrief, was dieser schließlich auch noch goutiert.
Fakt ist jedoch, dass immer mehr Kindern und Jugendlichen mit ihrer „Handschrift“ Probleme haben. Ergebnis einer 2015-Umfrage unter Lehrkräften.
Deshalb setzen sich auch Künstler mit Ausstellungen und Aktionen dafür ein, den gesellschaftlichen Trend zum „nur noch Tippen“ zu stoppen.
Ist man doch „bei Intellektuellens“ der Auffassung, dass wenn die Handschrift verschwinde, sich auch der Mensch reduziere. Was ein tiefer menschlicher Verlust wäre, so Wolf Kahlen, Prof. em. Der TU Berlin, einer der renommiertesten deutschen Performance-, Objekt- und Medienkünstler.
Ins gleich Horn stößt Hans Ulrich Obrist, künstlerischer Leiter der Londoner Serpentine Galleries: „Eine ganze Kultur geht verloren, Tausende Jahre alt. Es verschwindet eine parallele Realität“, sagt der Kurator wegen zunehmenden Entfremdung junger Menschen vom Handschreiben.
Schon seit Jahren arbeitet der Schweizer aktiv gegen den Trend an – er bittet Künstler um handschriftliche Notizen und teilt diese auf der Foto-App Instagram.
So stieß er vor mehreren Jahren auf einen Text von Umberto Eco, in dem dieser mahnt, die Handschrift wieder einzuführen.
Es gilt zwar unwahrscheinlich, dass man Kinder in diesen Zeiten wieder in Kalligrafie-Kurse schickt, aber es leuchte ein.
Inzwischen wurden Hunderte von Handschriften veröffentlicht, wobei man selbst bei einfachen „Post-ist“ feststellen kann, dass es nicht zweimal dieselbe Schrift gibt. Ein Faszinosum.
Also: Digitalisierung und die kurze elektronische Kommunikation sind und bleiben eindimensional, rational, effizient, wirtschaftlich und auch kalt. Dem nun möge man das „menschliche“ Handschreiben als eigene Ausdrucksform entgegensetzen.
Der pädagogische Hintergrund
Die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland sehen immer häufiger, dass Schülerinnen und Schüler Probleme mit dem Handschreiben haben. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die der Deutsche Lehrerverband (DL) gemeinsam mit dem Schreibmotorik Institut, Heroldsberg, durchgeführt hat. Danach meinen vier Fünftel (79 Prozent) der an der Erhebung beteiligten Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen, die Handschrift ihrer Schülerinnen und Schüler habe sich im Schnitt verschlechtert.
Sogar 83 Prozent der befragten Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer gaben an, dass sich die Kompetenzen, die Schüler als Voraussetzung für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Nach Einschätzung der an der Umfrage beteiligten Lehrkräfte haben die Hälfte der Jungen (51 Prozent) und ein Drittel der Mädchen (31 Prozent) Probleme mit der Handschrift.
Schreibe einen Kommentar