Es gibt sie schon lange: die Graphologie, deren Vertreter aus der Handschrift des Individuums erkennen wollen, ob ein Mensch Führungsstärke und Leistungswillen mitbringt oder ob er gar „kriminelle“ Energie hat. Denn ein „eckiger Unterzug“ beim kleinen „g“ käme häufig bei Dieben vor…
Jemanden an der Handschrift zu erkennen, setzt nun voraus, dass dieser Jemand überhaupt eine Handschrift hat; eine solche als Fließschrift. Denn Druckbuchstaben aufs Papier zu bringen, ist wohl wenig charakteristisch. Ebenso wenig, wie eine lausige Unterschrift.
Ob man nun auch „typische Erfolgsmenschen“ an deren Handschrift erkennen kann, ist wohl eher Glaube als wissenschaftliche Sicherheit. Und trotzdem empfehlen Graphologen eine Schriftanalyse, um bei der Personalauswahl die richtige Entscheidung zu treffen.
Und das, obwohl man kaum mehr mit der Hand schreibt, und dies. Obwohl Handschrift als Kulturgut gilt, an dem viele Menschen hängen.
Dass sie nun viel über den eigenen Charakter verrät, glaubt Helmut Ploog, Vorsitzender des Bundesverbandes der Graphologen.
Denn Graphologie habe nichts mit Esoterik zu tun, viel eher mit dem Ausdruck in einer Handschrift: ist jemand stabil ein Mensch, war seine Entwicklung gestört, wie sind seine Gefühlsbereiche beschaffen…ist er aktiv und ehrlich?
Das alles lasse sich herauslesen, und dabei hat das Individuum 1955 und ein Jahr mehr noch mit Griffel und Schiefertafel geschrieben.
Drum lassen sich wohl Alter, Geschlecht, sexuelle Neigung (??), Krankheit oder Gedanken kaum bestimmen.
Als Merkmale gebe es jedoch „übergreifende Befunde“, wie den Rhythmus einer Schrift, ihren Fluss, und ob eher die Form oder die Bewegung betont wird.
Und dann gilt da noch, wie originell oder einheitlich eine Schrift ist, wie druckstark, wie groß oder klein sie ist, ob sie sich nach rechts oder links neigt und welche Formen im Schriftbild stecken.
Und wenn die Schrift krakelig ist, gilt der „schlechte Charakter“. Das nun nicht, doch vielen Winkel und starker Druck und Drive sind schon die Wesenszüge einer eigenwillige, kantige Persönlichkeit.
Den typischen Erfolgsmenschen könne man dann schon eher eingrenzen. Der nämlich schreibe zügig und vereinfacht, ohne viele Schleifen und Anfügungen auskommt.
Wer also gerne vereinfacht, konzentriert sich aufs Wesentliche und ist effizient. Denn unter Zeitdruck bleibt eine umständliche Schrift aus.
Wie nun mach mer ’s mit dem Linkshänder, wenn Schrift einheitlich nach rechts geneigt und gut verbunden sein soll? Denn wer nach rechts und links schwankt, biete „ein Knock-out-Kriterium“: der Mensch als zerrissenes Wesen…
Je mehr nun bei einer Stellenbesetzung Persönlichkeit gefordert sei, desto eher sei Graphologie einsetzbar. Doch schon kommen Zweifel: wer hat wann und wieviel während der Ausbildung geschrieben? Handwerk contra Buchhalter contra Verkäufer und Geschäftsführer!
Schriftproben seien nun bei Assessments besonders authentisch, wobei die Kandidaten gar nicht daran denken.
Doch wie kommt man sich vor, während des Vorstellungsgesprächs etwas aus der Firmenbroschüre abschreiben zu sollen…?
Doch hält die Graphologie dran fest: Schriftproben treffen zu 90 Prozent die charakterlichen Merkmale.
Nicht so die Unterschrift. Die zeige, wie sich jemand nach außen darstellt, wie er sein will oder gesehen werden möchte.
Stimmen jedoch Unterschrift und Schrift überein, gilt dies als positiv für die Authentizität eines Menschen. Wer stark verschnörkelt, riesig oder unterstrichen unterschreibt, der habe wohl sehr starke Selbstdarstellungswünsche, sei also keine Empfehlung für eine Führungskraft.
P.S.
Von Lesbarkeit einer Schrift oder Unterschrift ist übrigens mit keinem Wort die Rede.
Ist das aufgefallen…?
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