Es war in den frühen 50ern, als das kleine und das große ABC noch mit dem Griffel auf der Schiefertafel geübt wurden. Von Gummibärchen fürs Schönschreiben war natürlich keine Rede. Auch wurde nicht fürs Stillsitzen gelobt. Man saß still.
Wenn es nun in der pädagogischen Neuzeit heißt, Belohnungen motivierten nicht, sie schadeten eher, weil man eben nicht begünstige, sondern auf lange Sicht das Gegenteil erreiche, dann wundert das den Schüler von früher und den Pensionär nach dessen 40 Jahren „an der pädagogische Anstalt“. Denn Anerkennung bekam man früher dadurch, dass derjenige mit der schönsten Schrift schließlich häufig an die Tafel gebeten wurde…
Gab es früher grad mal zum Geburtstag in den ersten beiden Volksschul-Klassen einen „goldenen Griffel“ in ebensolchem Staniol-Papier , seien jedoch heutzutage Belohnungen fast überall gängige Praxis.
Gemäß dem Jung-Lehrerinnen-Motto „tu dies und du bekommst jenes“ verspricht man dem Kind Gummibärchen, wenn es still sitzt, und dem Schüler Smileys für absolvierte Aufgaben. Und 15 Jahre später gibt’s der Mitarbeiterin einen Jahresbonus für erfolgreiche Projekte.
Doch oft werden Belohnungen auch von Unbehagen begleitet, weil man sich „gekauft“ oder noch schlimmer „eingeseift“ vorkommt.
Als modern gilt nun auch der dänischen Familien-Therapeut Jesper Juul, der in der Belohnung die postmoderne Variante von Strafen sieht. Und Nach Auffassung des amerikanischen Autors Alfie Kohn wirken Belohnungen nicht so wie sie sollen und seien auch noch schädlich.
Was aber darf man glauben? Ist es so, dass Kinder wegen einer Handvoll Gummibärchen wahrlich still sitzen, dass Schüler fleißig im Heft arbeiten und Mitarbeiter auf ein materielles „Lob“ noch motivierter handeln?
Wie aber soll Belohnung als Bezahlung oder gar Bestechung funktionieren? Wird sie doch eingesetzt, weil diejenigen, die belohnen, beim Gegenüber dessen dauerhafte Verhaltensänderung erwarten.
Der Ursprung geht im 19. Jahrhunderts auf den russischen Physiologen Iwan P. Pawlow und dessen Theorie des Behaviorismus zurück, der Idee des „operanten Konditionierens“. Er entdeckte das Prinzip der klassischen Konditionierung: ein Hund, der Fleisch riecht, sabbert; ein Hund, der ein Klingel hört und dazu Fleisch riecht, sabbert schließlich auch dann, wenn nur das Glöcklein klingt.
Ähnliches entdeckte man später bei Nagetieren und Tauben, deren konditioniertes Verhalten man durch nachträglichen Stimulus kontrollieren konnte.
Wird also ein Kind, das ein Gummibärchen bekommt, wenn es still ist, nächstes Mal wieder still sein…?! Oder schon, wenn man es nur ankündigt?
Wird ein Schüler, der oft genug einen Smiley bekommt, um fleißig zu arbeiten, irgendwann auch ohne Smiley fleißig arbeiten?
Eben das, was sich Eltern, Lehrer und Manager erwarten, die belohnen…
Fakt I wurde jedoch, dass die Motivation von Kindern, die für Mathespiele belohnt wurden, ohne weitere Belohnungen seltener spielten als die Kontrollgruppe, die nicht belohnt wurde.
Raucher fürs Entwöhnen zu belohnen, blieb im Erfolg „signifikant niedriger“ als in der Kontrollgruppe. Ähnlich gilt beim Abnehmen oder einer besseren Paar-Kommunikation.
Belohnen scheint zunächst zu wirken, langfristig jedoch schlechter als andere oder gar keine Motivation.
Als Fakt II gilt: wer belohnt wird, der beschäftigt sich gar nicht erst mit den Ursachen oder Gründen für sein Verhalten.
Gibt es nicht doch Gründe, unruhig und laut zu sein, sind die Aufgaben für den Schüler zu leicht oder die Arbeiten für den Mitarbeiter ungünstig?
Wird als doch eher nicht überlegt, was den Anderen hindert, so zu sein oder das zu tun, wie es erwartet wird oder wie man jemanden für die Aufgabe begeistern könnte.
Bei den ersten Behavioristen, bestand die Alternative zum Belohnen im Bestrafen. Stehen also Belohnungen und Strafen auf derselben Medaille?
Doch gilt auch: Belohnung verdränge schon vorhandene Motivation. Werden Kinder fürs Bilder malen belohnt, malen sie danach schlechter und weniger, wenn die Belohnung entfällt: ein Korrumpierungseffekt. Die Belohnung als äußere – extrinsische – Motivation verdrängt die innere – intrinsische – Motivation.
Wer bestochen oder gar schon zuvor belohnt wird, fragt sich, ob das erwartete Ergebnis zu erreichen, doch nicht so toll ist…
Die Kritik daran, dass Belohnen grundsätzlich schade, stammt nun wohl am ehesten von denjenigen, die das „operante Konditionieren“ weiter entwickeln wollen. Demnach trete der Korrumpierungseffekt nur dann auf, wenn man Belohnung und Lob methodisch falsch anwende.
Als gelte nicht, weniger zu belohnen, sondern besser zu belohnen. Aha!
So schaden Belohnungen weniger, wenn sie nicht vorher angekündigt werden.
Doch auch beim Lob ist die Sachlage problematischer als man annehmen möchte.
Wie aber ist zu überlegen, wie man Schüler motiviert, wie Unterricht aussehen könnte, unter welchen Bedingungen Schüler begeistert, ihre Aufgaben erledigen und wie man Arbeit organisiert, dass Mitarbeiter sich engagieren, ohne ihnen vorab eine Belohnung zu versprechen?
Doch Belohnungen sind u.U. auch zu selbstverständlich geworden, weil nicht das Individuum die Idee dazu hat, sondern die Belohnung hat den Einzelnen.
Ich kauf mir meine Gummibärchen, egal wann!
Peter meint
Belohnungen gibt es nur bei „außergewöhnlichen“ Leistungen, die das geforderte Maß übersteigen,
z.B. eine schwere Matheaufgabe ohne Taschenrechner und somit im Kopf richtig ausgerechnet zu haben,
selbst wenn der TR Errechnen der Lösung erlaubt war.
Weil jemand sehr schnell eine an ihn gestellte Aufgabe gelöst hat, sollte er eher nicht belohnt werden,
da die Person dies zum Anlass nehmen kann,
immer sehr schnell sein zu wollen.
Dabei wird eine weitere Qualität der Arbeit meistens vernachlässigt.
Ein Lob sollte man auch nur aussprechen, wenn eine Aufgabe, richtig gelöst wurde.
Subjektive Eindrücke wie z.b. „Das Bild hast du aber schön gemalt“ sollte man vermeiden.
Der Nächste, der das Bild sieht, empfindet es evtl. als „Gekritzel“.
Belohnung und Lob, gehen nach hinten los , wenn sie falsch angewendet werden.
Wolfgang Bräun Dipl.Vw. meint
…bleibt jetzt nur die Frage:
Geht es bei Lob und Tadel auch um die schriftliche Ausdruckswiese von Probanden…?
Denn der vorstehende Kommentar wäre im Original im Fach Deutsch wohl nur ne Vier- gewesen…