„Fräulein L. war stets pünktlich und im Kreis der Kollegen sehr gesellig…“ – Falls dies als Positivum empfunden würde, läge man falsch. Denn auch ein vermeintlich positiv formuliertes Zeugnis zur Person lässt jede Menge Schlüsse zu: das Fräulein war nur pünktlich und ein Piccolo zu jeder Tageszeit mit Anmache war nie schlecht…
Weil nun jedoch grundsätzlich positiv formuliert sein soll und muss, steht Vieles nun doch zwischen den Zeilen. Und so ist sie noch immer „up to date“, die kuriose Geheimsprache, in der seit 50 Jahren Lob und Tadel versteckt formuliert werden.
Deshalb Achtung!, wenn es heißt „Er/Sie erledigte seine/ihre Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“ , denn das ist Note 4; sollte es doch heißen „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“, und das ist Note Eins!
Auch die Reihenfolge und das, was nicht geschrieben wird, ist maßgebend. So muss aus dem Arbeitszeugnis angeben, was der Mitarbeiter Firma gemacht hat; dabei sollten qualifizierende Aufgaben klar benannt werden. Zu betonen sind, wenn jemand selbstständig und eigenverantwortlich war.
Auch die Güte ist zu benennen, mit der etwas erledigt wurde: besondere Leistungen, Verhaltensweisen oder Eigenschaften sind zu benennen.
Zufriedenheit lässt sich auch ausdrücken: von „stets bemüht“ (= mies) bis „stets zur vollsten Zufriedenheit“ (= super) reicht die Spanne…
Kenntnisse und Können, Arbeitsweise und Arbeitsstil können verschlüsselt gelobt oder kritisiert werden: „im Großen und Ganzen“, „im Allgemeinen“ oder „im Wesentlichen“ schmälern eine vermeintlich positive Formulierung.
Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, sonstigen Mitarbeitern und Kunden ist in dieser Reihenfolge zu loben. Das vermeidet einen gewesenen Konflikt mit dem Chef.
Auch wer geführt hat, der sollte was dazu lesen: über den richtigen Umgang mit Mitarbeitern, seine Verantwortung und die Fähigkeit zu motivieren.
Wie aber wurde gekündigt? Auf eigenen Wunsch? Und wird das sehr bedauert? Wird für die geleistete Arbeit gedankt und wünscht man alles Gute für die berufliche Zukunft? Ist es weniger, ist man wohl nicht im Konflikt auseinander gegangen.
Wie nun ist der Tenor zu bewerten, mit dem ein Zeugnis verfasst ist: wohlwollend und warm oder eher kühl, kurz und knapp?
Am besten sind präzise und klare Formulierungen, die deutlich machen, dass der Schreiber die beurteilte Person und seine Arbeit kennt und schätzt. Und bitte keine Floskeln und Flachheiten.
Merkt man, ein Zeugnis ist eher suboptimal ist, kann man beim Arbeitgeber um konkrete Änderungen bitten: keine böse Absicht also oder es wurde was übersehen. Verweigert sich der Abeitgeber, kann man auch per Arbeitsgericht zu verbessern suchen.
Vorher ist jedoch immer besser, weshalb man auch ein Zwischenzeugnis fordern kann, solange das Klima gut ist. Wenn ‘s denn sein kann, darf man sogar bei manchen Chefs beim Formulieren mitwirken und wichtige Punkte vorschlagen.
Man darf jedoch nie einfach geschehen lassen und hinnehmen, denn bei der nächsten Bewerbung wirkt seltsam, wenn man länger wo gearbeitet hat und hat angeblich kein (oder aber ein schwaches) Arbeitszeugnis erhalten. Satz mit X – war wohl nix!
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