5000 Jahre Make-Up – Ein Muss für jede Frau – Reizvoll von Monroe bis Karin Mustermann
von Wolfgang Bräun
Nofretete, Kleopatra, Marlene Dietrich, Liz Taylor, Marilyn Monroe, Helene Fischer und auch Karin Mustermann, die Gattin von Otto, dem Normalverbraucher, liebten, lieben und schätzen ihn, den Lippenstift. Ganz unabhängig davon, ob er in der Moderne je Spuren an Glasrändern, auf Hemdkragen oder am Hals des Auserwählten verursacht.
Das Färben der Lippen geht auf das Jahr 3500 vor Christus zurück, fand man doch bei Ausgrabungen in der sumerischen Stadt Ur Tiegel mit Lippensalbe aus zerstoßenen Edelsteinen und giftigem Bleiweiß.
Die Ägypter hingegen, wohl auch Kleopatra, nutzten dafür eher zerdrückte Käfer, Pflanzen, Jod, Brom, Algen, Fisch-Schuppen und Ocker, um Farbtöne von Rot über Orange bis hin zu Schwarz zu erreichen.
So gilt als dokumentiert, dass sich auch Königin Nofretete um 1350 v. Chr. den Mund rot färbte und sich auch die Augen schminkte. Oder sie sich eben schminken ließ.
Und auch kampfeswütige Krieger wie Kelten und Wikinger, Sioux- und Irokesen, Azteken und Mayas oder Skythen und Hunnen standen dem Gegner mit Schminke gegenüber.
Als überliefert gilt auch, dass der römische Kaiser Nero und seine Frau Poppaea ihren Teint und ihre Lippen mit Rouge betont hätten.
Nicht so die Griechinnen um 500 vor Christus, denn öffentlich geschminkt zeigten sich nur Künstlerinnen und Hetären, gebildete Prostituierte als Lustgefährtinnen der männlichen und einflussreichen Gesellschaft.
Eine Schmink-Pflicht für hochgestellte Frauen war im alten Japan angesagt, wofür sie Wachs, Honig und Pigmente mischten, was dem modernen Lippenstifte schon recht nahekam.
Über „Make-Up“ im Mittelalter ist wenig bekannt, doch im Barock galt es als sehr populär. Auch Königin Elisabeth I. betonte ihre roten Lippen im Kontrast zum gepuderten Gesicht,
Im Rokoko griffen Männer wie Frauen in die Farb-Tiegel, zogen sich die Lippen nach und stellten sich der Leib- und Sinnesfreude, die eher den Todsünden zugerechnet wurden.
Es galt „jede Frau, die sich schminke, um schön zu wirken, solle mit dem Tod bestraft werden“, wütete der italienische Philosoph Tommaso Campanella im „Sonnenstaat“-Traktat von 1602.
Färbten sich die Damen des 16. Jahrhundert ihre Lippen noch mit einer Mixtur aus Schildläusen, rezeptierte man im frühen 17. Jahrhundert Weintrauben in festen Pomaden, leicht parfümiert und kolorierte mit dunklem Traubensaft und dem Saft der Schminkwurz.
Großzügig war wohl August, der Starke (1670 – 1733), der seiner Geliebten Aurora von Königsmarck einen Lippen-Balsam schenkte, der mehr als zehntausend Gulden gekostet habe.
Auch Katharina die Große (1729 – 1796) kokettierte wohl nach einer eher kuriosen körperlichen Lust: ihre Hofdamen sollten ihr die Lippen ansaugen und auch anbeißen, damit sie anschwollen und gut durchblutet wirkten.
Und das britische Parlament erließ 1770, dass Frauen, die ihre Männer mit Lippenrot bezirzen und so in die Ehe locken, sich strafbar machen und diese Ehen deshalb annulliert werden dürfen.
Als wissenschaftlich erwiesen galt bei den Aufklärern, bunte Lippen seien als Kriegsbemalung schädlich für Leib und Seele.
Während Königin Victoria 1860 entschied, dass ein Make-Up unhöfisch sei und sie so ihr puritanisches Zeitalter sicherte. Lippenstift galt folglich als „shokking“, weil ihn vor allem Prostituierte und Schauspielerinnen trugen.
Rot für Lippen und Wangen entstand aus Saflor, Koschenille, Rotholz, Sandelholz und Zinnober; oft auch mit gefährlichem Bleiweiß, das sich über die Jahre als toxisch erwies und die Nutzerinnen entstellte.
Grund dafür, die sozialen Gesetze strenger auszulegen, weil rote Lippen gar mit dem Teufel in Verbindung stünden.
Im Jahre 1828 – so die Firmenhistorie – importierte Pierre-Francois-Pascal Guerlain, der Gründer des Unternehmens, „eine faszinierende Lippentönung“ aus England mit dem klangvollen Namen „Liquid Bloom of Roses“.
Er habe die Rezeptur verbessert und einen flüssigen Rosenextrakt kreiert „für haltbare Lippenfarbe, die auch Mahlzeiten übersteht“. Guerlains erster großer Erfolg, der bis ins Jahr 1958 anhalten sollte.
Seine weitere Idee war eine Pomade im Tiegel mit Bienenwachs, Hirschtalg und Rizinusöl anzureichern und zu einem Stift zu formen.
Mit sperrigem Name wurde der Rhodopis-Serviteur zum “Stylo d’amour” oder respektlos zum “saucisse”, dem Würstchen, weil diese hüllenlos in Seidenpapier gewickelt war.
Doch diese Geschichte zur Herkunft des Accessoires scheint historisch und personell im Netz irgendwie vermischt worden zu sein.
„Wenn du tagelang nicht geschlafen hast und aussiehst wie das Ungeheuer von Loch Ness, gibt es nur eines, was dafür sorgt, dass du dich wieder wie ein Mensch fühlst: Glanz auf deinen Lippen.
“Bianca Jagger, Ex von Rolling-Stone Mick Jagger
„On a bad day there’s always lipstick!“
Audrey Hepburn
Mit „Ne m’oubliez pas“ präsentierte dann aber Guerlain 1870 einen Lippen-Stift samt Hülse. Bahnbrechend für das damalige Make-Up: ein rosa Wachsstift steckte in einer Hülse zum Schieben und war nachfüllbar. Die Raffinesse!
Konkurrenten zogen nach, als ein Parfümhersteller aus Paris 1883 auf der Weltausstellung in Amsterdam in Stift in Seidenpapier aus gefärbtem Rizinusöl, Hirschtalg und Bienenwachs präsentierte.
Da Lippenrot als sündhaft teuer galt, war er jedoch vielen Frauen verwehrt.
Eine Sarah Bernhardt, berühmt wohl als französische Schauspielerin um 1890, sorgte indes für Nachahmung, als sie sich mit kirschrotem Mund auf die Theaterbühne trat.
Sie mochte wohl Guerlains „revolutionäres Würstchen” und nannte es „Zauberstab des Eros“, aus dem sie sich mit einem Dachshaar-Bürstchen die Lippen schminkte; Jahrzehnte bevor der Lippenpinsel aufkam.
Guerlain produzierte bald Lippenstifte für die Massen. Ein Novum, da die Weibspersonen eher vergeblich in der Küche versuchten, häuslich etwas Rotes zu mischen und aufzutragen.
1910 gab Guerlain den Lippenstift erstmals in eine Metallhülse, womit in den Goldenen Zwanzigern der eigentliche Siegeszug des Lippenstifts begann.
Doch erst ab 1948 hüllte man ihn in eine praktische Metallhülse mit Schiebe-Mechanismus, damit man/frau nur die Lippen und nicht die Finger oder das Täschchen färbte.
Anfangs des 20. Jahrhunderts dann ein weiterer Aufbruch: die glamourösen „Flapper“, mehrere Hollywood-Stars der Stummfilmzeit und die Suffragetten im Kampf um ihre Frauenrechte trugen stolz den Lippenstift. Rote Lippen wurden zum radikalen Symbol von Feminismus und Rebellion.
Der erste drehbare Lippenstift kam 1915 auf den Markt. Das Rezept: zerdrückte Insekten, Bienenwachs und Olivenöl, das allerdings schnell ranzig geworden sei.
Elizabeth Arden setzte in den 30er Jahren einen Meilenstein, als sie erstmals verschiedene Lippenstiftfarben vorstellte.
Um 1940 wurde roter Lippenstift in „Victory Red“ („Siegesrot“) sogar zum patriotischen Symbol der englischen Frauen in der Rüstungsindustrie. Als man die Produktion des Stiftes aufhob, um wichtigere Güter zu produzieren, sei dann sogar die Arbeitsmoral gesunken.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu akzeptierten Regulationen für die Inhaltsstoffe.
Schließlich verhalf die mediale Ikonen Marilyn Monroe dem Accessoire zum absoluten Glamour-Status, das in keiner Handtasche fehlen durfte.
Es stellte sich ein starker Wettbewerb der Hersteller ein: 1951 startete Revlon seine Kampagne, die Farben der Lippenstiften an die der Nagellacke anzupassen.
Die Revlon-Brüder Charles und Joseph produzierten nicht nur den ersten Nagellack, sondern waren auch die ersten, die die Farbe für die Nägel mit der für die Lippen abstimmten.
Knallig, schrill und bunt wurden Lippenstiftfarben in den aufregenden 70er und 80er Jahren. Schworen die Hippies noch auf Natürlichkeit, brachte die Rock- und Disco-Ära schrille Farben wie Lila, Blau und Grün hervor. Der Popsänger Boy Georeg ließ grüßen. Und so trugen auch Männer Lippenstift.
Die Chemikerin Hazel Bishop entwickelte derweil den bis heute verwendeten Lippenstift auf Lanolin-Basis, der die Farbe nicht verschmieren lässt.
Und René Koch in Berlin eröffnete ein privates Lippenstiftmuseum.
„Alors, ç’est ça!“
P.S.
Nach gültigen Benimm-Regeln ist das Auftragen von Lippenstift weltweit die einzige Make-up-Tätigkeit, die öffentlich ausgeführt werden darf.
Lippy19 meint
Reizvoll zu lesen, grad am frühen 3. Oktober 2019!
Chapeau für die Recherche,