Mithaftung trotz Vorfahrt – 25 zu 75
Einen stehenden Bus zu überholen, kann Folgen haben. Auch wenn man dies auf einer Vorfahrstraße vor einer Einmündung tut. Denn dann muss man damit rechnen, dass sich aus der Seitenstraße ein anderer Verkehrsteilnehmer heraustastet. Kommt es in der Folge trotz Vorfahrt zu einem Crash, kann der Vorfahrtsberechtigte durchaus für den Schaden mithaften. So ein Urteil des LG Saarbrücken vom Januar 2019 (13 S 142/18).
Geklagt hatte ein Pkw-Fahrer, der mit Anhänger nach links auf die Vorfahrtsstraße einbiegen wollte. Da ihm ein stehender Bus die Sicht behinderte, nutzte er das Handzeichen der Busfahrerin, dass er gefahrlos einbiegen könne, was er langsam über die Sichtlinie des Busses hinaus tat. Dabei kollidierte er mit dem Pkw von links, der an dem wartenden Bus vorbeifuhr.
Der Gespann-Fahrer argumentierte, dass der Gegner überwiegend für den Unfall verantwortlich sei, weil er bei sehr eingeschränkten Sichtverhältnisse und der unklaren Verkehrslage nur langsam und bremsbereit den Linienbus hätte überholen dürfen.
Der „Zweit-Schädiger“ sei daher mit 60 Prozent zum Schadenersatz verpflichtet.
Doch diese Argumentation zog zunächst nicht. Die in erster Instanz wies die Klage ab und begründete, dass sein Vorfahrtsverstoß so schwer wiege, dass die Betriebsgefahr des Vorfahrtsberechtigten deshalb reduziert sei.
Es folgte die Berufung Saarbrücker LG, das seinem Rechtsmittel zumindest teilweise stattgab.
Zwar schlossen sich die Richter der Vorinstanz an, dass der Beweis des ersten Anscheins wegen der Vorfahrtsverletzung des Klägers gegen ihn spreche. Doch sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass er sich langsam bis zur Sichtlinie des Linienbusses vorgetastet hatte, als es zur Kollision mit dem Vorfahrtsberechtigten kam.
Dem Vorfahrtberechtigten sei vorzuhalten, „trotz einer unfallträchtigen Gefahrensituation mit unverminderter Geschwindigkeit an dem Bus vorbeigefahren zu sein“, wobei ihm die Sicht auf den davor befindlichen Verkehrsraum teilweise versperrt gewesen.
Außerdem sei zu erkennen gewesen, dass in diesem Bereich ein Kreuzen der Fahrbahn grundsätzlich möglich war, weil die Mittellinie in Höhe der Einmündung unterbrochen war. Darauf hätte sich der Vorfahrtsberechtigte einstellen müssen.
Die Richter hielten deshalb eine Haftung von 25 zu 75 Prozent zu Lasten des Klägers für angemessen. Denn die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten habe sich „verschuldensunabhängig durch dessen Fahrweise erhöht“.
Das Gericht ließ keine weiteren Rechtsmittel zu.
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