Nicht-Farben Schwarz, Weiß und Grau horizontal und vertikal in Balance
Wer das Zeitliche segnet, hinterlässt nicht in jedem Fall ein „epochales Werk“. Was Piet Mondrian, eigentlich Pieter Cornelius Mondriaan, als „Composition“ im Jahre 1921 schuf, gehört jedoch dazu. Zweifelsfrei. Bis heute tausendfach kopiert, vielfach adaptiert und verwertet und im Original für zig Millionen versteigert.
Von Wolfgang Bräun
Mondrian, der im Februar 1944 in New York starb, hinterließ als abstrakter Künstler „für folgende Generationen die Inspiration und den Bezugspunkt.“ Denn er war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der Pioniere der abstrakten Kunst.
Populär und bekannt sind seine Kompositionen um 1920 aus schwarzen Linien und rechteckigen Farbfeldern, was er sich „als Brücke in eine utopische Zukunft“ vorstellte. Eine Auffassung, die dem noch kleinen Piet nicht gegeben sein konnte. Liest man doch auch, „er stamme aus einer verhunzten Großfamilie in einem holländischen Grachten-Kaff“.
Geboren am 7. März 1872 in Amersfoort (Niederlande) wuchs er als Pieter Cornelius als zweites Kind mit seinen Geschwistern Johanna Christina, Willem-Frederik, Louis Cornelis und Carel als Sohn eines evangelischen, strengen Schulleiters und Calvinisten auf. Das Zeichnen und Malen lernt er bei Onkel Frits und seinem Vater. Piet langweilt sich wohl in der Schule, und malte statt zuzuhören.
Seine Ausbildung als Zeichenlehrer absolvierte er brav und erhielt, mit dem Diplom die Lehrbefähigung für Volksschule und für höhere Schule. Doch Lehrer zu sein, erschien ihm wohl zu banal.
So besuchte er von 1892 bis 1897 die Kunst-Akademie in Amsterdam und bewarb sich bereits 1898 und 1901 beim niederländischen „Prix de Rome“, den damals angesehensten Kunstpreis der Niederlande. Doch die Jury lehnte ihn beide Male ab: zu schlecht die Anatomie des Menschen.
Der Rechte Winkel
Für Piet Mondrian, der in der reinen Realität stets eine natürlichen Bezug zwischen Horizontale und Vertikale sah, war der rechte Winkel auch das universelle Symbol: der aufrecht stehende Mensch in der Vertikalen auf der horizontalen Erde.
Eine solche Polarität in unserer Welt erzeuge Spannung, die es auszugleichen gelte: Mann und Frau, Geist und Materie, Apollinisches und Dionysisches.
Polaritäten, die – je nach Anschauung – auch okkultisch wieder zur Kreuzesform werden, das „allem Christlichen, allem Menschlichen zugrunde liegt.“
So wurden plakative Bilder zu „simplen farbigen Flächen in Quadraten und Rechtecken“, wodurch die sinnlich erfahrbare Welt vereinfacht und reduziert wird zwischen Individuellem und Universellen ein Gleichgewicht geschaffen werden soll, wie Piet Mondrian bereits 1918 im ersten Manifest der de-Stijl-Bewegung schrieb.
Ab seiner beginnenden Karriere um 1900 malte Mondrian impressionistische Bilder seiner Heimat, lebte zunächst überwiegend in Holland mit kurzem unbefriedigendem Aufenthalt in Spanien.
So fertigte er bis 1908 naturalistische Arbeiten und wissenschaftliche Zeichnungen für die Uni Leiden
Wichtig bei seinen Landschaften waren ihm die Lichtverhältnisse zu verschiedenen Tageszeiten, was winzige Pinselstriche besser vermochten als flächige Malerei.
Mondrian wendet sich 1909 der Theosophischen Gesellschaft in Amsterdam zu, bei der man an die Einheit des Menschen glaubt, weil alles von einer unnennbaren Gottheit abstamme und in jeder Religion ein Kern von Wahrheit zu entdecken sei.
Eine Zeit, in der Mondrian nach dem Tod seiner Mutter von hellen, fröhlichen zu düsteren Farben wechselte.
Nach zehn Tagen in Paris 1911, wohl auch um die folgende Ausstellung des „Modernen Kunstkrings“ vorzubereiten, löste er auch die Verlobung mit Greet Heybroek.
Die erste Ausstellung des „Modernen Kunstkrings“ im Stedelijk Museum von Oktober bis November 1911- als Ehrung für Paul Cézanne verstanden – präsentierte 166 Exponate mit 93 Werken ausländischer Künstler, mit 28 von Piet, sowie moderne Arbeiten von Georges Braque, Pablo Picasso, André Derain und Raoul Dufy.
Bei dieser Ausstellung entdeckte Mondrian den Kubismus für sich und adaptierte diesen neuen Kunststil.
Im 40. Lebensjahr zog er Ende 1911 nach Paris, wo ihm Conrad Kickert, Korrespondent der niederländischen Wochenzeitschrift De Groene Amsterdamer, am Bahnhof Montparnasse ein Atelier vermittelte. Nur unterbrochen durch den 1. Weltkrieg arbeitete er dort bis Januar 1936.
Mondrian, der das zweite ‚a‘ aus seinem Namen strich, verkehrte in den Pariser Künstlerkreisen, traf auf Fernand Léger, den danach langjährigen Freund, hielt sich jedoch fern von Georges Braque und Pablo Picasso. Seine ersten kubistischen Bilder hielt er zunächst in Grau, Braun und Schwarz.
Er begann, geometrische Flächen zu entwickeln, malte noch erkennbare Formen mit in sich zerlaufenden Farben, wurde immer abstrakter bis zum Ein-Dimensionalen aus nur ganz wenigen Farben.
Während Picasso wieder gegenständlich wurde, war Mondrian mit seiner abstrakten Malerei zum modernsten Maler geworden. Doch Erfolg und mangelnde Anerkennung wechselten sich ab. Aus finanziellen Gründen malte er zahlreiche Blumenbilder, die ihm den Lebensunterhalt sicherten.
Eine künstliche Blume, deren Blätter er weiß gestrichen hatte, galt ihm als die fehlende Frau in seinem Leben, weshalb er sich ganz der Kunst widmen wollte. Die Symbolik der Blume deckte sich jedoch nicht mit seiner abstrakten Kunst.
1938 verließ Mondrian Paris aus politischen Gründen, hatte er sich doch auch an die Innenarchitektur gewagt, wie an die der Bibliothek einer Ida Bienert in Dresden und an Bühnenbilder.
Damit fiel er wohl den NS-Oberen auf, die seine Bilder nicht wollten und sie ihn deshalb 1937 in der Propaganda-Schau „Entartete Kunst“ präsentierten.
Über England siedelte er nach New York, blieb bei seinen rechteckigen Linien, gab ihnen wieder mehr Farbe, mehr Leben und Lebhaftigkeit. Besonders deutlich in „Broadway Boogie Woogie“ von 1942.
Hier verwendete er statt schwarzen gelbe Linien, die er punktuell blau, weiß und rot unterbricht: dazwischen bunte Felder.
Mondrians „moderne“ Bilder zeichnen sich bis heute durch deren starken Abstraktionen aus. Motivisch oft füllte er rechteckige Farbflächen in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb, deren jeweilige Mischergebnisse er in Weiß und als schwarze Linien einsetzt: abstrakte Malerei seines Stils.
Mondrian – „Was will ich in meinem Werk ausdrücken? Schönheit auf der ganzen Linie und Harmonie durch das Gleichgewicht der Beziehungen zwischen Linien, Farben und Flächen zu erreichen. Aber nur auf die klarste und stärkste Weise.“
So wurde er zum Schöpfer des Stils im Neo-Plastizismus und wichtigster Vertreter des niederländischen Konstruktivismus sowie der Konkreten Kunst, wie Theo van Doesburg diese bezeichnete.
Mondrians begründeten die abstrakte Malerei, als er in den 1920er Jahren die bekannten, streng geometrischen Gemälde schuf, die dem Neo-Plastizismus zugerechnet werden. Schwarze Gitterlinien mit einzelnen Farbflächen.
Diese charakteristischen Strukturen – schwarzes Raster, verbunden mit rechteckigen Flächen, koloriert in den Grundfarben – beeinflussten bis heute die Mode, die Architektur, die Kunst, das Mobiliar und die Werbung.
Im New Yorker Exil schuf er ab 1940 neue Werke, die er nach Art eines Mosaiks auflockerte und mit den Primärfarben füllte.
Der Rechte Winkel
Piet Mondrian wollte den „rechten Winkel“, womit er in Haltung und Methode einer der Hauptvertreter der klassischen Moderne und Mitbegründer der abstrakten Malerei wurde. Raus aus dem „Dickicht der modernen Stilrichtungen“ wurden ihm ab 1920 seine eigenen „Dinger“ wichtig: streng geometrische Gemälde, weil er in der Kunst nichts mehr verabscheut habe als Kreise und Kringel.
Seine Raster und schwarzen Linien mit Rechtecken in Rot, Gelb und Blau sind allseits und weltweit bekannt, denn die Muster hielten sich in der der Mode, im Design und ins der Architektur bis ins Jetzt.
Dahinter steckt Mondrians theosophische Idee, dass der rechte Winkel eine bessere Welt wäre.
Als Jazzfreund und begeisterter Tänzer packte er in Landschaften seiner New Yorker Zeit auch Musik rein.
Piet Mondrian starb am 1. Februar 1944 in New York.
2009 erzielte eine von Mondrians „Composition avec bleu, rouge, jaune et noir“ aus dem Nachlass von Yves Saint-Laurent bei einer Auktion 21,5 Millionen Euro.
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