Man(n) musste die Italo- oder Spaghetti-Western nicht mögen, wollte und sollte sie aber gesehen haben. Das galt sowohl für Sergio Leones Dollar-Trilogie oder eben auch für „Django“, der zu den bekanntesten und prägendsten Filmen des Genres zählt.
von Wolfgang Bräun
Wer „Western“ meint, markiert zunächst ein ur-amerikanisches Film-Genre. Doch in den alten Hollywood-Studios, wo John Ford oder Howard Hawks die klassischen Western drehten, fiel irgendwann kein Schuss mehr. Und so waren es junge europäische Filmemacher, die das Genre belebten. Anfangs vor allem die Italiener Sergio Corbucci und Sergio Leone, die den Wild-West-Film zum Italo-Western machten.
„Django“ gilt seither als „paradox modern“ und in 1966 als seiner Zeit weit voraus: zynisch, voller Ironie und voll schwarzem Humor, mit brutaler Gewalt und „im Subtext mit politischen Implikationen“ als scharfer Gesellschaftskritik gespickt.
So erhielt Franco Nero, bürgerlich Francesco Sparanero, geboren am 23. November 1941 in San Prospero bei Modena, die Hauptrolle des „Django“ 1966 von Sergio Corbucci, der damit zahlreiche Regisseure und deren Werke beeinflusste.
Nicht zuletzt, weil Django „eine starke zeitgenössische, gesellschaftskritische Komponente“ enthalten habe und deutlich vom ursprünglichen amerikanischen Western absetzte.
Denn der Protagonist des Films reitet nicht, er zieht in einem Sarg ein Maschinengewehr hinter sich her, und tritt auf als „Anti-Held“, wodurch spätere Westernfiguren und -filme nachhaltig geprägt wurden.
Django, eine gebrochene Person, unterschied sich vom klassisch-amerikanischen Westernhelden, weil er nicht in die übliche Gut-Böse-Kategorie gehörte, in der man mit rächender Selbstjustiz die bürgerliche Konvention mit Brutalität missachtet.
Der Film – so die Filmkritiker und Cineasten – habe eine politische und gesellschaftskritische Ebene enthalten, losgelöst vom klassischen amerikanischen Westernmotiv.
Regisseur Sergio Corbucci, ein politisch links orientierter Soziologe, habe mit Django die innenpolitische Situation in den USA zu Zeiten des Kalten Krieges kritisiert.
Denn der Protagonist Django kämpfte gegen einen Militärmajor und dessen Bande korrupter Südstaatler, die in Aussagen, Verhalten und Outfit dem Ku-Klux-Klan gleichen.
Ähnlich wie in „Leichen pflastern seinen Weg“ habe Corbucci auch das Motiv zerstörter Hände aus dem italienischen Mittelalter und das der Hexenverfolgung verwendet.
Ein Sujet, das wohl ursprünglich aus der römischen Geschichte stamme und auf Gaius Mucius Scaevola verweise, der
508 v. Chr. die Stadt Rom gerettet habe, als der Etruskerkönig Lars Porsenna diese belagerte. Im Hauptmotiv summiert zu einer „maroden, pseudo-moralischen und rassistischen Gesellschaft“, die durch den Protagonisten demaskiert wird.
Damit sei der Film zu einem Anti-Western geworden, habe jedoch das Western-Genre weiter entwickelt und keinesfalls aufgelöst.
Galt Corbuccis „Django“ noch als avantgardistisch, gelten Leones „The Good, the Bad, and the Ugly“ oder „Once upon a time in the West“ episch opernhaft und opulent ausgestattet.
Doch „Django“, alias Franco Nero, war ein „Loner“, ein Outsider, der ohne Pferd in ein verlottertes Kaff im Wilden Westen kommt, einen Sarg hinter sich herzieht, dessen Inhalt der Wildwest-Stadt zunächst unbekannt bleibt.
Das Dorf in der Grenzregion zwischen Mexiko und den USA wird heimgesucht von rivalisierenden Banditen – auf der einen Seite Mexikaner, auf der anderen amerikanische „Yankees“.
Django, nihilistisch und ohne Moral, löscht zunächst die Horde des US-Majors Jackson aus, dann sind die Mexikaner dran, weil „weder Dollars noch Pesos mehr wert sind als Sand in der Wüste“, denn Django kämpft nach eigener Moral.
Zur Überraschung im Sarg wurde eine „Gathling Gun“, mit der Django unzählige Gegner einfach nieder mäht.
Auf diese Weise missachtet Corbucci in 90 Minuten alle Konventionen des klassischen US-Western. Kein „Gut“ und „Böse“, kein „good guy“ und kein „bad guy“, was fürs Genre neu ist, aber als absurd gilt.
Vielleicht ist ein Django der mexikanischen „Revolution“ sogar ideell nahe gestanden, bleibt aber Einzelkämpfer, „der beißenden Zynismus schlampig durch schwarzen Humor kaschiert.“
Corbuccis Plot gilt als die bitter-böse Ironie eines Protagonisten mit dessen markanten Nuancen, jedoch nicht nur als „düstere Dystopie“ an einem üblen Ort, finster und alles böse und hoffnungslos.
Denn „Django“ als überzeugter Pessimist zeigt auch Momente, bei denen Menschlichkeit, Glaube oder gar Hoffnung aufblitzt, oder ist es doch nur sarkastischer Galgenhumor, der mit humanistischen Attributen vieles erträglich macht, was Corbucci den Mexikanern und den Amerikanern nicht zugesteht.
Der Western „Django“ gilt als untypisch gefilmt: keine Totale als Parade-Einstellung des US-Westerns. Corbucci setzte auf große Einstellungen, die schnell geschnitten die Handlung treiben, was die Filmkritik häufig als Comic-Stil bezeichnete.
Franco Nero spielte zunächst am Piccolo Teatro in Mailand, war in Krimis, Science-Fiction-Filmen sowie als Abel in John Hustons „Die Bibel“ zu sehen, bevor ihm „Django“ den Durchbruch brachte. Doch früh löste sich Nero vom Genre, für das er mit „Mercenario“ und „Lasst uns töten, Companeros“ seinen Beitrag lieferte.
Seit Damiano Damianis „Der Tag der Eule“, in dem er als sizilianischer Hauptmann der Carabiniere gegen die Mafia kämpft, wurde Nero zu einem der wichtigen Protagonisten des italienischen Polit-Thrillers.
„Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ oder „Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie ’s!“ wurden Klassikern des politischen Krimis, die später in der TV-Serie „Allein gegen die Mafia“ aufgingen.
Zu Neros Filmografie zählen Kriegsfilme, ambitionierte Filme, komische Western, wie „Zwiebel-Jack räumt auf“ und Abenteuerfilme mit „Wolfsblut“ und internationale Großproduktionen wie „Der Pirat“, oder „Der wilde Haufen von Navarone“. In Rainer Werner Fassbinders letztem Film „Querelle“ spielte er 1982 einen schwulen Kapitän, war in den 90ern häufig in Fernseh-Folgen zu sehen und in Menahem Golans Thriller „The Versace Murder“ war er als Modeschöpfer das Opfer. Und selbst in der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung „Zauber der Liebe“ zeigte er Präsenz (2005). Bei ausgeprägter Männlichkeit, sportlichem Auftreten und schwungvollem Schauspiel wurde Nero einer der attraktivsten italienischen Schauspieler, liiert mit Vanessa Redgrav, mit der er einen Sohn hat.
In Europa zum Kultfilm geworden, hat sich der Streifen im englischen Sprachraum dazu nicht entwickelt, weil die englische Synchronisation so schlecht geworden sei, dass sie gar den Sinn entstellt habe.
Corbuci, der die Idee mit dem Sarg und dem Maschinengewehr einem alten italienischen Comic entlehnt habe. musste seinen Hauptdarsteller Franco Nero auf älter schminken lassen, weil dser beim Dreh erst 25 war. Gedreht wurde der Film in den Elios-Studios bei Rom, wo man die spärliche Kulisse eines ausgestorbenen Westernstädtchen mit Nebel und Rauch aufmotzte, den die ramponierte Kulisse zu renovieren, hätte das Budget gesprengt
Mit seinem Hang zum schwarzen Humor habe Sergio Corbucci zum Ende der Dreharbeiten Franco Nero den Sarg einen Hügel hinaufziehen lassen, ohne dass dieser sich umdrehen dürfe. Während dieser mühsam den Hügel hochstapfte, habe man am Set die Kameraleute und die Mitarbeiter abgezogen und nur Django habe mit seinem Sarg verdutzt auf dem Hügel gestanden.
Die Originalversion wurde als deutsche Fassung entschärft und teilweise wohl auch entstellt, worauf sie längst nicht alle Anspielungen und Zynismen enthalte.
Herausragend und legendär hält sich das Duell auf dem Friedhof, bei dem sich Franco Nero hinter einem Grabkreuz versteckt und sein Gegner mit dem Segensspruch losballert -„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“- und der sich auch bekreuzigt.
Wie einige weitere Szenen wurde dieser Passus in der deutschen Fassung entschärft und inhaltlich verändert (Länge im Original 91 und in der deutschen Fassung 87 Minuten, Altersfreigabe nach FSK ab 16, in der Langfassung ab 18).
In Großbritannien wurde der Film wegen seiner Brutalität erst 1993 freigegeben und erst dann wurde Franco Nero auch dort ein Star.
Auf den großen Erfolg des Films entstanden weitere Django-Filme, deren Produzenten stets versuchten, das Original zu adaptieren, mit jedoch nur bescheidenem Erfolg.
Kaum glaubhaft, dass der Western „Texas addio“ mit Franco Nero schon zuvor gedreht war, in dem er als Sheriff Burt Sullivan bereits das Outfit des späteren Django trug.
Nach Django machte man daraus quasi Folge II: Django, der Rächer als „Django Sullivan“. So wurde mehreren simplen Spaghetti-Western im Verleihtitel ein „Django“ angehängt, ohne dass man sich aber an Corbuccis Django orientierte.
Offizielle fortgesetzt wurde mit „Djangos Rückkehr“, jedoch weg vom Original. Von Fans als Django-Fortsetzung akzeptiert wurde nur der Brutalo-Western „Töte, Django!“(1967) mit Tomás Milián.
Im Sinne einer Hommage an den Ur-Django gelten die Western von Enzo G. Castellari „Keoma“ (1976), die „Die Rache des weißen Indianers“ (1994) und der des japanischen Regisseur Takashi Miike gedrehte „Sukiyaki Western Django“ (2007) sowie Quentin Tarantinos Django Unchained (2012).
Spätere Namens-Epigonen gab es häufig: Italien ließ Cjamango und Shango aus der Hüfte schießen, in der Türkei ritt Cango über die Leinwand und zahlreich waren die „Django-Doubletten“ im Originaltitel bei lockerer Verwandtschaft; so auch : „Der Sohn des Django (1967). Für Filme mit Franco Nero zog man im deutschen Sprachraum immer wieder das „Django“-Register: selbst ein Hai-Abenteuer von Enzo G. Castellari wurde zum „Dschungel-Django“, ganz ohne Western-Attitüde.
Im Resümee für den modernen Actionfilm wurde Django selbst im dritten Terminator, in der Rambo-Reihe und mit einigen Zitaten in den Tarantino-Filmen plagiiert, was auch schon mal den Verlust eines Ohres kostete, wie in Reservoir Dogs, während Tarantino manche Einstellungen samt Dialogen aus Djangos Text übernahm. Bei solch post-apokalyptischer Szenerie erstellte man gar die These, dass Django einer der ersten Endzeit-Filme sei, der auch George Millers Mad Max-Trilogie (1979, 1981, 1985) beeinflusste.
Was bedeutet das Wort Django?
Bei dem Wort „jahwe“ handelt es sich um den Namen Gottes, und „chanan“ bedeutet etwa „begünstigt sein“
oder „gnädig sein“. Johannes oder Django bedeutet also so viel wie „Gott ist gnädig“ oder „Gott ist gütig“.
Wie viele Django Filme gibt es?
In Europa wurden etwa 70 Filme unter dem Django-Titel ausgewertet; 21 davon tragen den Namen
des Helden im Original im Titel. Der größte Teil der Produktionen sind italienischen Ursprungs.
Einige der Filme wurden in Kooperation mit Spanien und auch Deutschland inszeniert.
Wann spielt der Film Django?
Django ist ein Sklave, der 1858 im tiefen Süden der Vereinigten Staaten lebt
und von seiner Frau Brunhilde getrennt wurde.
Wo wurden die Italo-Western gedreht?
Die Landschafts- und Außenaufnahmen vieler Italo-Western wurden auf der spanischen Halbinsel
Cabo de Gata und nördlich von Almería (beides Andalusien) gedreht, nahe der Wüste von Tabernas.
Italo-Western oder auch Spaghetti-Western konnten das frühere Genre wieder beleben. Hatten die einst strahlenden Helden überlebt oder sich gegenseitig erschossen, wollte keiner mehr solche Filme sehen, bis Sergio Lone mit „Eine Handvoll Dollar“ den Trend bestimmte, den man jedoch auch zu Tode ritt: verschwitzte, ungepflegte Kerle waren die echten Männer, die schöne Frauen retten mussten, eben auch Loredana Nusciak durch. Django.
Die Portraits früherer Protagonisten der Italo-Western zeigen u.a. Clint Eastwood uam.
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