Geschwungene Jugendstil-Poster machten die Druckgrafik zur wertvollen Kunstform
von Wolfgang Bräun
Als Ende des 19. Jahrhunderts die Bewegung des Jugendstils durch Europa. schwappte, geprägt von dem künstlerischen Interesse, die Schönheit der Natur stilistisch neu zu interpretieren, übernahmen Künstler aus ganz Europa diesen avantgardistischen Stil. Dieses Genre festigte sich in verschiedenen Strömungen wie der ‚Wiener Secession‘ und dem ‚Modernisme‘ in Spanien, aber vor allem auch mit der französischen Art Nouveau.
Genau diesen französischen Jugendstil nahmen Künstler an, die in verschiedenen Medien arbeiteten. Neben der Malerei und der Skulptur der bildenden Künste war der neue Stil in der Architektur, bei der Inneneinrichtung und damit auch im Kunsthandwerk der damaligen Zeit weit verbreitet.
Das Erbe jener Zeit findet sich überaus deutlich in der Plakatgestaltung – einem kommerziellen Handwerk, das in herausragender Weise auch durch den tschechische Künstler Alfons Mucha zur einst modernen Kunstform wurde.
Alphonse Mucha wurde am 24. Juli 1860 in Ivancice in Mähren als dritter Sohn von Onrej Mucha geboren. Muchas Vater, der sechs Kinder aus zwei Ehen hatte, arbeitete als Gerichtsdiener. Schon in seiner frühsten Kindheit galt Mucha als herausragend begabt. Es heißt gar, Mucha hätte korrekt und markant gezeichnet, noch vor er laufen konnte. Seine Kindheit gilt als geprägt von drei herausragenden Momenten seiner frühen Sozialisation:
einer katholischen Erziehung, seinem Interesse an Musik und seiner künstlerischen Begabungen. Für Mucha, der dies wohl als intellektuelle Verbindung betrachtete, habe jedes Element jedoch einen separat erkennbaren Einfluss auf seine künstlerische Laufbahn und seinen späteren Erfolg gehabt.
So habe ihm seine Haltung in der katholischen Kirche den ersten großen Auftrag gebracht: ein Porträt der Heiligen Kyrill und Method, während die Faszination für Musik ihn ans Theater führte und er zunächst zum Bühnenbildner avancierte.
Alfons Maria Mucha, geboren am 24. Juli 1860 in Ivančice (Eibenschütz) in Mähren, verstorben am 14. Juli 1939 in Prag, wurde als tschechischer Plakatkünstler, Grafiker, Illustrator, Maler, Amateurfotograf und Kunstgewerbler zu einem der herausragenden Repräsentanten des Jugendstils.
Künstlerisch begann Mucha nach seiner Schul- und Berufsausbildung als Bürokaufmann jedoch als Autodidakt. Man erkannte wohl früh sein eigentliches Talent, weshalb er im Atelier Kautsky-Brioschi-Burghart in Wien angestellt wurde und man ihn mit Bühnenmalereien, vor allem für das Ringtheater betraute. Nach einem verheerenden Brand im Ringtheater 1881 wurde er als jüngster Mitarbeiter zuerst frei gestellt und musste sich für einige Zeit mit Zeichnungen und Porträts den Lebensunterhalt verdienen.
Kurz darauf erhielt Mucha 1882 den Auftrag, die Räume des neo-barocken Schlösschens Emin Zámek, dem Emmahof bei Hrušovany nad Jevišovkou (zu deutsch Grusbach) in Mähren auszustatten, das für Graf Eduard Khuen von Belasy entstanden war. Weitere Wand-Malereien führte Mucha aus im Stammschloss Gandegg der Familie Khuen-Belasy bei Eppan in Südtirol.
Erst mit 25 nahm Mucha von 1885 bis 1887 an der Akademie der Bildenden Künste in München das Studium auf, wofür ihm die Familie Khuen-Belasi ein Stipendium bot.
Als die Weltausstellung 1889 in Paris erste Schlagzeilen machte, gab Mucha München auf und zog nach Paris, das damals als das Mekka der Künste galt. Nach seinem Studium war Paris nicht nur für ihn die glanzvolle und stilgebende Metropole in ganz Europa – eben die Zeit von Eifelturm plus Weltausstellung.
Hier fand Mucha eine besondere Förderung über die lokale slawische Gemeinschaft wie auch durch Charlotte Caron, die als Besitzerin der Crémerie-Pension, die der avantgardistischen Kunst stark zugetan war.
In diesem kreativen Zentrum änderte Mucha seinen Fokus von der Malerei und dem Theater auf die Illustration von Zeitschriften, womit er schnell Erfolg hatte.
Bei verschiedenen Lehrern sog er deren Unterricht geradezu auf, lebte währenddessen in bescheidenen Verhältnissen. Seine Bildwerke für zeitgenössische Publikationen wie ‚La Vie popular‘ und ‚Le Petit Français Illustré‘ brachten dem 30-Jährigen ausreichendes Einkommen, um sich die Räumlichkeiten die Ausstattung zu leisten, sein Handwerk zu verfeinern. Für einige Zeit teilte er ein gemeinsames Atelier mit seinem Kollegen Paul Gauguin.
In den frühen 1890er Jahren veränderten zwei besondere Einflüsse Muchas Werdegang ein weiteres Mal.
Zunächst begann er für die Zentralbibliothek der Bildenden Künste zu arbeiten, eine Kunstbuch-Handlung, die mit ihrer Zeitschrift ‚Art et Decoration‘ den Jugendstil populär machte, und des Weiteren beauftragte ihn die beliebte Pariser Bühnen-Schauspielerin Sarah Bernhardt Poster zu ihren Rollen zu schaffen Werk
Zu den Höhepunkten seines Schaffens wurden Muchas Arbeiten, zu denen Sarah Bernhardt, die wohl bekannteste westliche Schauspielerin der Jahrhundertwende ihm die Gelegenheit bot.
Bernhardt hatte kurz vor Weihnachten 1894 nach einem Künstler gesucht, der ihr ein Plakat für das Theaterstück „Gismonda“ entwerfen könne, da all jene ausgefallen waren, nicht wollten oder konnten, die sie ansonsten beschäftigte.
Mucha hatte vom Bedarf ganz zufällig beim Besuch einer Druckerei erfahren und bot sich ihr an, was sie dankend annahm. Bereits zwei Wochen später hingen überall in Paris seine Plakate, durch die er im weiteren Verlauf weltbekannt werden sollte.
Im Dezember 1894 suchte Bernhardt einen Künstler, der ein neues Plakat für das Stück der „Gismonda“ entwarf. Das Spektakel mit Bernhardt in der Hauptrolle war kürzlich für einen längeren Zeitraum in Paris erneuert worden. Leider stand ihr das bisherige Künstler-Team des beliebten Verlags Lemercier nicht zur Verfügung.
Für Sarah Bernhardt als „Kameliendame“ entwarf Mucha 1896 „das“ Plakat, das in der Kunst-und Theaterszene vielfach als einer der frühen Höhepunkte der Jugendstil-Plakatkunst betrachtet wird.
Unglaublich damals, dass alle Plakate, die frei an Wänden hingen, von Kunstfreunden stibitzt oder besser „gestohlen“ wurden, denn seine Ideen, seine Ausführung, seine Farbgebung waren in kürzester Zeit so begehrt, dass Mucha zu einem der populärsten Plakatkünstler der Belle Époque wurde.
In dieser künstlerischen Rolle für Bernhardts Rollen am Theater verfolgte Alfons Mucha schließlich das, was zu einen seinen bekanntesten und populärsten Arbeit werden sollte: die Plakatgestaltung.
Maurice de Brunhoff, der Verlagsleiter, beauftragte den Theaterliebhaber Mucha kurzfristig mit der Gestaltung der Werbung, die der Künstler als überdimensionales Poster mit exotischen Motiven, wirbelnden Silhouetten und mosaikartigen Mustern realisierte. Dieses in ganz Paris verteilte Stück machte Alfons Mucha zu einem bekannten Künstler – und sicherte ihm einen Arbeitsvertrag mit Bernhardt.
Sechs Jahre lang entwarf Mucha die Flyer und Abrechnungen für Bernardts Produktionen, darunter La Tosca und Hamlet. Diese Rolle war jedoch nur der Anfang von Muchas Lithographien, die in mehreren kommerziellen Aufträgen gipfelten.
Seine Plakate, sehr oft Porträts von Frauen, zeichnen sich durch ein schmales, vertikales Format sowie eine weiche Palette von Pastellfarben aus.
Nestlé, Moët-Chandon und die Bières de la Meuse sind nur einige der vielen Unternehmen, die Mucha mit der Gestaltung ihrer Anzeigen im Pariser Fin de siècle beauftragt haben. Obwohl sie darauf ausgerichtet sind, eine breite Auswahl an Produkten zu verkaufen, werden diese Designs alle im Stil dargestellt, den Mucha während der Erstellung von Postern für Bernard entwickelt hat. Es war dieser Stil, der dazu beigetragen hat, den Jugendstil zu verbreiten. Viele von ihnen zeigen konventionell schöne Frauen, deren weiche, weibliche Gesichtszüge die kurvenreichen Rundungen und von der Natur inspirierten Motive widerspiegeln, die den Jugendstil charakterisieren.
Neben der Pionierarbeit für den „Mucha-Stil“ des Jugendstils haben diese Werke den künstlerischen Ruf der Druckgrafik enorm verbessert. Vor Mucha existierte die Druckgrafik vor allem in Form von Holzschnitten, Stichen und Radierungen.
In den 1890er Jahren führte Jules Chéret, ein französischer Künstler, der als „Vater des modernen Posters“ bekannt war, die Farblithographie ein. Mit neuen Techniken und Technologien zeichneten sich Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Georges de Feure und Alfons Mucha in dem Medium aus, das sich als effektives Werbemittel und attraktive Kunstform etablierte.
In der Folge wurde die Unterscheidung zwischen Massenproduktion und bildender Kunst undeutlich, und die Ästhetik des Jugendstils wurde schnell zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens.
Nach dem erfolgreichen Verlauf seiner kommerziellen Laufbahn konnte Mucha seinen Fokus wieder ändern und an Projekten arbeiten, die ihm persönlich gefielen. Insbesondere wandte er sich den Historienbildern zu, die er 1900 während der Pariser Weltausstellung ausstellte.
Später im Leben zog er von Paris nach Prag, wo er 18 Jahre lang sein bisher ehrgeizigstes Projekt realisierte: das slawische Epos. Inspiriert von der Absicht des Künstlers, nicht nur für den Kunstkritiker, sondern auch für die „slawische Seele“ etwas Gutes zu tun, zeigt diese Serie aus 20 großformatigen Gemälden die Errungenschaften der slawischen Kulturen, die er durch jahrelanges Reisen, Forschen und Beobachten kennengelernt hat.
Weit weg von der hellen und frechen Ästhetik seiner Grafiken und Plakate betrachtete Mucha diesen Zyklus von Temperamalereien als sein wichtigstes Werk. Obwohl seine kommerziellen Stücke als Triumphe des Jugendstils gelten, lehnte er die Bewegung ab.
Um Muchas Praxis zu verstehen, ist es daher wichtig, nicht nur seine populären Drucke und Poster zu studieren, sondern auch seine Projekte zu berücksichtigen, für die er voller Leidenschaft war.
In dieser Zeit erstellte Mucha auch Entwürfe für Wertpapiere, die als spätere Motive für Aktien oder Obligationen dienten, so für das Kaufhaus „Paris-France“, das 1898 in Paris gegründet wurde und bereits 1914 über mehr als 70 Filialen in ganz Frankreich verfügte.
In deren Zeit von 1898 bis 1946 wurden von dieser Gesellschaft 13 verschiedene Aktien und 16 verschiedene Obligationen in typischer Mucha-Handschrift und in dessen Dessin und Ordnungsmustern herausgegeben.
Zwei Obligationen aus den Jahren 1891 und 1896 gab es von der „Société des Immeubles de France“ und ein solches Dokument gibt es auch von der „Société Anonyme de l’Exposition Réligieuse Internationale de 1900“, die sich der Finanzierung einer religiösen Weltausstellung widmete.
Auch Policen von Versicherungen, wie der „Slavia“, einer Versicherungsbank auf Gegenseitigkeit in Prag tragen eindrucksvoll Muchas unverwechselbare künstlerische Handschrift.
Historische Wertpapiere dieser Gesellschaften zählen bei Sammlern nicht erst seit heute zu den dekorativsten und gesuchtesten Objekten. Um 1898 gab Mucha sein Können auch in Zeichenkursen weiter, wofür man ihn an die Académie Colarossi und an die Académie Carmen gewinnen konnte.
Muchas wohl bedeutendste Illustration entstand 1897 während wenigen Monaten und wurde eines der wichtigsten Werke der Art-Nouveau-Buch-Illustration: die 134 Farb-Lithographien zu Ilsée, Princesse de Tripoli, einer französischen Märchenerzählung von Robert de Flers im Verlag Piazza. Hierzu erschienen 1901 auch eine deutsche und eine tschechische Fassung.
Mucha, der sich auch der Fotografie widmete, wenn auch nur als Amateur, nutzte seine Aufnahmen und deren Motive als Vorlagen für seine Grafiken.
Im Jahre 1901 wurde Mucha Ritter – und 1934 auch Offizier – der französischen Ehrenlegion; er war Mitglied im Bund der Freimaurer und gilt nach dem Historiker Jaroslav Šebek, geboren 1970, auch als einer der Wiederbegründer der tschechischen Freimaurerei.
Ein Jahr darauf reiste er 1902 mit dem französischen Bildhauer Auguste Rodin nach Mähren. ging 1904 Mucha für zwei Jahre in die USA, wo man ihn mit einer mehrseitigen Sonderbeilage der New York Times willkommen hieß und ihn feierte, auch weil er als Dozent an den Akademien für bildende Künste in New York, Philadelphia und Chicago lehren wollte. Mit 46 Jahren heiratete Mucha 1906 in Prag Marie Chytilová, die er in Paris kennengelernt hatte.
Nach 1918 verblasste jedoch Muchas Stern, sein Erfolg schwand. Er kehrte zurück in die Tschechoslowakei, wo er sich künstlerisch auch auf Briefmarken kaprizierte, so auch mit der ersten Briefmarke von 1918 mit einem Hradschin-Motiv. Es folgten Banknoten und Urkunden zu den Orden des jungen tschechoslowakischen Staates.
Vom Jugendstil löste sich Mucha in seiner Spätphase und schuf von 1911 bis 1928 ein monumentales Epos über die Geschichte der slawischen Völker, „das Slawische Epos“, ein Zyklus aus 20 riesigen Gemälden, die er der Stadt Prag schenkte.
Längst finanziell unabhängig lebte er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf einem Schloss nördlich von Prag. Mucha war auf den Einmarsch der deutschen Truppen 1939 einer der Ersten, die interniert wurden. Wenig später starb er an den Folgen einer Lungenentzündung. Sein Sohn Jiří Mucha wurde tschechischer Kosmopolit, Übersetzer, Schriftsteller, Publizist und Drehbuchautor, seine Schwester Jaroslava Muchová Syllabová war tschechische Malerin.
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Das Mucha-Museum im Barockbau des „Kaunický palác“, dem Kaunitz-Palais im historischen Kern Prags,
ist ganz dem Leben und Werk des weltbekannten Repräsentanten des Jugendstils gewidmet.
Muchas Hauptwerk „Das Slawische Epos“ war bis 2012 im Schloss Moravský Krumlov, dem mährischen
Kromau in der Nähe seines Geburtsortes Ivančice zu besichtigen und ist seit 2018 in Brünn ausgestellt.
Der am 3. Januar 1989 entdeckte Asteroid mit der Nummer 5122 wurde im Mai 1999 nach Mucha benannt.
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