Bei der Pädagogik will jeder mitschwätzen – Lehrer als Bremsklötze?
Ach, wie undifferenziert wird meist über „Schule“ diskutiert, wo doch jeder schon mal auf einer solchen war und deshalb auch weiß, wie’s geht. Jetzt muss also die Ganztagsschule kommen. In allen Bundesländern, egal ob auf dem Land oder Städtisch. Und vor allem auch in allen Schularten.
Da gilt es wohl vorerst noch als Segen, wenn – Gott sei Dank – noch nicht feststeht, wann es soweit sein wird. Solange also dürfen sämtliche Erziehungswissenschaftler und -innen – auch die aus Berlin – mit diesem Fazit zur unseligen Diskussion beitragen. Da habe man geforscht und geforscht – die meisten Schulen wurden als Forschungsobjekt ausser Acht gelassen – und bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung kommt man zu dem Resultat, dass man auf dem Übergang vom Halbtages-Schulsystem zum Ganztagsunterricht noch nicht sehr weit gekommen sei.
Schön wenigstens, wenn die Pädagogik am Lehrstuhl weiß, dass fast alle deutschen Ganztagsschulen konzeptionell unterentwickelt sind. Neue Lernformen würden nicht eingesetzt und genau genommen handele es sich nur um verlängerte Halbtagsschulen.
Was mit dem Schock aus der ersten Pisa-Studie im Dezember 2001 begann, hat zum „Umdenken“ geführt. Hatten doch deutsche Schüler (Frage: Alle?) neben mittelmäßigen Fähigkeiten ihre Schwächen vor allem wegen deren sozialer Herkunft. Nirgendwo sonst bestimme diese so sehr über die Schulbildung wie in der Republik. Gut daran sei dann nur gewesen, dass ein neues Schulsystem ganz oben auf der politischen Agenda zu stehen kam.
Die Idee: Die Ganztagsschule möge und solle wieder zur Lebenswelt für die Schüler werden. Hat denn einer die Schüler oder gar deren Eltern gefragt…? Die uralte Reformpädagogik – einst nur belächelt – sei statt dessen bereits in Hochkonjunktur geraten. Wer als Kind mit 12 bis 15 Jahren in den 50-er Jahren des vorige Jahrhunderts noch irgendwo am „Athleten-Platz“ im Wäldchen am Stadtrand hat spielen dürfen oder auf dem „verbotenen Bolzplatz kickte – auch ohne dass die Hausaufgaben so richtig prompt erledigt waren, der fragt sich heute: Wird denn von Kindern bei der Fülle an Unterrichtstunden, bei enormen An- und Heimfahrts-Zeiten überhaupt noch gespielt? An der Play-Station etwa…??
Spaß am Lernen? – Ja und nein.
Reformpädagogik könne durch deren „andere Kultur den Spaß am Lernen zurückbringen und irgendwann zu einer echten Lebensschule werden“ – wer das so einfach glaubt und auch noch ohne Entlastung der Lehrpläne propagiert, der möge sich schnell ans richtige Konzept setzen. Wer als Inseln noch „Formosa, Sumatra und Celebes“ mit dem Butterbrot-Papier zuhause appauste, der hätte früher nie und nimmer in eine Ganztagsschule gewollt. Das weiß auch der Schreiber dieser Zeilen.
Wenn also bereits 4 Milliarden Euro von der Bundesregierung einschließlich 2009 und für Ganztagsschulen verplant sind, sei bislang an 6400 Schulen meist eh nur eine Mensa gebaut worden. Wer möchte aber fünf mal die Woche Kantinenessen ver-kosten, das der schlecht bezahlt Kantinenkoch angerührt hat oder es aus der Großküche kommt?
Noch setzten Schulen keine pädagogischen Schwerpunkte, sondern Aufenthaltsräume ohne Konzept, so die Pädagogik am Lehrstuhl. Denn am Lernen habe sich bislang nichts bis wenig geändert. Die uralte Katastrophe: auch an der Ganztagsschule stellt der Lehrer in 9 von zehn Fällen die Frage, statt dass dies der Schüler tut.
Wieder mal die Lehrer…
Und jetzt sind auch noch die Lehrer die größten Bremsklötze auf dem Weg zu einer neuen Schule, denn die stemmten sich gegen den Verlust ihrer „Zeitautonomie“. Das nun ist der meist freie Nachmittag. Mit diesem im Visier sind sie aber damals auch Lehrer geworden, in den 70-ern, zehn Jahre danach und auch noch kurz vor dem Millennium. Wann aber soll der Lehrer den Unterricht methodisch und didaktisch nacharbeiten, wenn er künftig bis 16 oder 17 Uhr in der Schule sein will oder muss? Und hat irgendjemand den Eindruck, der Lehrer verdiene eh schon soviel, dass ihm dies so ganz nebenbei zuzumuten sei…?
Doch eine Frau Dr. B. in Berlin sieht in dieser längeren Anwesenheit eine Riesenchance: „Die Ganztagsschule könne beim Lehrer dessen Einzelkämpfertum aufbrechen, unter dem er leide. Nimmt man dazu noch die Schulpädagogen, Sozialpädagogen und Sporttrainer, die zum Konzept der Ganztagsschulen gehören, dann macht Lehrer sein als zu Projektmanager so richtig Spaß Doch geplante Projekt- und Teamarbeit mit Kollegen, durch die sich Arbeit und Verantwortung teile, muss erst erlernt werden.
P.S. Wann, Frau Dr. B. in Berlin, wann haben Sie zuletzt 24, 25, 26 oder gar 27 Wochenstunden unterrichtet…? Wann den Lernspaß und nicht nur Wissen vermittelt“
Mustermann meint
…das ist halt so beim Thema ‚Schule’…
jeder, der selbst mal auf einer war, schwatzt und schwätzt mit,
wenn es darum geht zu wissen, was der heutige Schüler so bracht.
Früher reichte es für eine gute Bildung, wenn der Lehrer einen guten Unterricht machte und über Jahre und Jahrzehnte immer wieder von früheren Schülern mit Freundlichkeit und aus guter Erinnerung bei so mancher Gelegenheit im Städtle gegrüßt wurde. Heute muss es OES sein, Organisation eigenständige Schule. Evaluation heißt das vermeintliche Zauberwort, wenn Schulen zu „zertifizieren“ sind…
Aber bei der Klientel zuhause wird längst nicht mal mehr eine Zeitung gelesen… Und gekocht, gemeinsam mit der Familie gegessen oder so aufgestanden, dass es zum geruhsamen Frühstück reicht… wegen der Schule… ja warum das denn?