Zeitnahe und kompetente Behandlung für Kassenpatienten?
Und da besagte Zielgruppe sich freiwillig in Geiselhaft der Tipps von Men’s Health begibt, muss ich a.s.a.p., also as soon as possible erfahren, in welche Richtung die Kerle denn gerade geleitet werden. Ich begebe mich sozusagen an die Quelle.
Mal abgesehen davon, dass der Leitartikel „Endlich alle Frauengeheimnisse aufgedeckt“ einiger Kommentare meinerseits dringend bedürfe, um die von Men’s Health fehlgeleiteten „Jungs“ wieder einzunorden, machten mich die Tipps für Kassenpatienten, die eine Behandlung auf dem Niveau von Privatpatienten möchten, so richtig nachdenklich.
Auf geht’s!
„Patient 1. Klasse – So haben Sie beim Arzt beste Karten“.
Der Autor dieses Artikels ist eine Frau: Meine Kollegin Kirsten Segler.
Nachdem Sie Ihren Lesern noch einmal den Unterschied zwischen Kassen- und Privatpatient ins Gedächtnis ruft – von wegen unterschiedliche Wartefristen für einen Termin usw. – rät sie, so man akute Beschwerden zu beklagen hat, dass man den Hausarzt darum bitten soll, einen anderen Arzt zu kontaktieren, weil: „Fachärzte und deren Mitarbeiter glauben einem Kollegen mehr als Patienten“. Kaum glaubt der geneigte Leser einen wertvollen Tipp bekommen zu haben, warnt ihn Frau Segler: „Solche Tricks verschaffen Ihnen aber nur selten den erhofften Vorsprung. Im Gegenteil: Auch Sprechstundenhilfen kennen die Masche, und es macht sie nicht kooperativer, wenn sie sich für dumm verkauft fühlen“.
Ja, Roger Cicero. Am Ende haben Sie Recht. „Fraun’ regiern’ die Welt“.
Frau Segler klärt uns darüber auf, dass Ärzte nur ein bestimmtes Budget für Kassenpatienten haben und – sollten sie dieses überschreiten – müssen sie die Behandlung am Patienten aus eigener Tasche zahlen.
Ich kenne das schon. Ich habe schon mal bei einem Ex-Chirurgen, der sich mittlerweile als „Allgemeinarzt“ und „Sportmediziner“ verdingt, einen weinerlichen Zettel, der im Wartezimmer angebrachtwar, lesen müssen. Man würde von ihm Regress fordern, da er sein Kontingent überschritten habe. Und man solle bitte nur dringend notwendige Behandlungen von ihm einfordern. Das war ein Anschlag im doppelten Sinne, der gegen uns Kassenpatienten gerichtet war.
Ich kondoliere ungern einen Arzt wegen seiner vorgeschobenen, finanziellen Schwierigkeiten, wenn ich selbst eine Magen-Schleimhautentzündung zu beklagen habe. Mein Leidenskontingent ist irgendwann nämlich auch einmal erschöpft.
Die Leidensfähigkeit von Men’s Helth Lesern muss dagegen ungleich groß sein. Wo doch die Männer sonst wegen jedem Wehwechen gleich jammern! Ja ja: Ausnahmen bestätigen…usw.usf.
Kirsten Segler doziert über „Mischkalkulationen von Ärzten“ – ist das ein Kurs in medizinische Betriebswirtschaft? – und bringt ein kleines Lexikon für „Gesundheitsdeutsch“. Sehr nett. Schön fand ich den Begriff unter „O“: „Off-Label-Use: So nennt man den Ersatz von Medikamenten gegen andere Erkrankungen als die, für die sie eigentlich zugelassen sind“.
Das klingt ja mafiös! Ich nenne das Missbrauch von Medikamenten. Und das ist erlaubt? Diese Vokabel kommt mir eher so vor, als sei es ein Auszug aus dem literarischen Klassiker „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“!
Die von Frau Segler empfohlene Strategie gegen Beschiss beim Verschreiben eines Rezeptes: „Information und Kooperation. Finden Sie einen Arzt, dem Sie vertrauen und folgen Sie seinen Therapie-Empfehlungen.“
Wenn Sie mich jetzt beim Lesen dieser Stelle des Artikel gesehen hätten, hätten Sie mich bei einem sehr unvorteilhaften Blick ertappt: Stellen Sie sich einen sehr erstaunten Gesichtsausdruck vor: Ein langes Gesicht, mit einem vor Erstaunen heruntergezogenen Unterkiefer, die Lippen zusammengepresst und zu einem kleinen Kreis gespitzt, die Augen dagegen weit aufgerissen. Ich sagte ja. Unvorteilhaft. Jedes Frauenmagazin würde mich vor zu häufigen Gebrauchs einer solchen Mimik warnen, da Gefahr vor nicht mehr zu kompensierender Faltenbildung.
Wegen dieser leichten Unpässlichkeit, in die mich der Artikel meiner Kollegin brachte – nebenbei: ich bekomme panische Angst davor, den Glauben an die Fähigkeit von Männern mittlerer bis gehobener rationaler und emotionaler Intelligenz, kognitive Prozesse souverän zu bewältigen, frei von flacher, gewinnorientierter Beeinflussbarkeit – lese ich das Folgende quer und lasse es nun zu, über weitere intellektuelle Unwägbarkeiten dieses banal-journalistischen Etwas lediglich zu stolpern.
Zack: Und da haben wir’s schon. Die Weisheit aller Weisheiten, erinnert sie mich doch an das Niveau des 60er-Jahre Ratgebers „Liebeskunst und Eheglück“ (von dem unsäglichen Dr. Ferdinand Harvey). Ich zitiere:
„Doch auch mit dem umfangreichsten Wissen bewaffnet, können Sie einen Arzt nicht zwingen, Ihnen ein bestimmtes Präparat zu verordnen“.
Eine Frau gibt Männern Tipps und lotst sie in den Tunnel der Resignation. Und ich dachte immer, fiese Männer sind das Ergebnis von fiesen, hätschelnden Müttern, die ihren Söhnen einen Freibrief für Alles geben, eine Allround-Absolution.
Ich habe mich geirrt. Von dieser Erkenntnis muss ich mich jetzt erst einmal erholen, ganz im Sinne von Frau Segler, die ihren Artikel mit der Erkenntnis schließt, dass Heilung ein starkes Argument ist, sofern man eine Klage für adäquate, medizinische Behandlung gewinnen will.
(Das Foto ist von www.aboutpixel.de)
Schreibe einen Kommentar