Einmal die Woche bringt nahezu jede Lokal-Journaille eine Portrait jener Ehepartner, die die „goldene Hochzeit“ feiern können. Wer sich die wenigen Minuten nimmt, den Bericht des Freien Mitarbeiters zu lesen, den man an die ‚eheliche Front‘ geschickt hat, der wird nahezu jedes mal erkennen: einfach ist es nicht, 50 Jahre beieinander zu bleiben. Wer nun aber glaubt, die verklärte Vision eines harmonischen Gleichfühlens sei das Geheimnis für jahrelange Partnerschaft, der irrt. Harmonie birgt nämliche die große Gefahren für zwischenmenschliche Beziehungen.
Was anfangs als romantische Beziehung wichtig und normal erachtet wird, um eine gute Basis zu schaffen, hat hoffentlich spätere Ungleichheiten zur Folge. Reife Beziehung erfordern nämlich, dass man sich nicht selbst verliert, weil man sich zu stark an den anderen anpasst.
Wer nicht mehr zeigt, wie er wirklich ist, sondern wie der andere wünscht, der entwickelt ein falsches Selbst.
Unterstellt man als einen „Urwunsch des Menschen“, nicht abgelehnt zu werden, tappt man sehr leicht daneben,wenn man dem anderen zu arg gefallen will und sich dadurch zu stark anpasst.
Beziehungstherapeuten wissen, eine Beziehung wird langweilig, wenn zu wenig Raum bleibt für neue Handlungsweisen und eigene Ideen. Viele Bereiche aus der Beziehung und Themen werden durch zu hohe Adaption des jeweils anderen ausgeschlossen. Folge: Erstarrung und Unzufriedenheit.“
Individuelle Gefühle
Wer individuell fühlt, darf für diese Gefühle nicht versuchen, diese auch zu denen des anderen zu machen. Als Vorführ-Effekt gilt, wenn in der Folge einer negativen Emotion, nicht nur einer, sondern schließlich beide schlecht gelaunt sind.
Für ein stabiles Selbst ist die zunächst negative Situation jedoch anders zu zu entwickeln. Sich am Partner zu orientieren, kann nur dann als günstig gelten, wenn das eigene, das stabile Selbst nicht aufgegeben wird.
Frühe Individuation
Verhaltensursprünge liegen oft schon in der Kindheit, während der das Individuum verschiedenen Arten entwickelt, Ansprüche zu befriedigen. Als sogenanntes Gegenteilpaar – aktiv und passiv – ist diese Haltung früh vorhanden.
Hier liegt auch der Beginn der späteren Sexualität. Da durch Polaritäten seelische Konflikte entstehen, ist eine aktive und passive Ausrichtung der Wünsche unvereinbar.
Einem Kind keine Emotionen zu erlauben, ihm diese zuzugestehen oder zu verweigern, ob es unzufrieden sein dürfe oder es so fühlen muss, wie die Eltern, bedeutet für erlaubte Emotionen nicht auch, dass ein Kind ansonsten auch alles bekommt.
Und doch gibt es Familien, in denen ein dominanter Elternteil veranlasst, dass alle Familienmitglieder so fühlen müssen wie er oder sie. Wenn also beim Abendessen, beruflicher Ärger des Vaters durch schlägt und bei Tisch wegen schlechter Laune keine Scherze erlaubt sind.
Eigener Halt
Wer vom Partner zu oft erwartet, dass Bedürfnisse befriedigt werden, der verkennt, dass es für eine befriedigende Beziehung zwingend erforderlich ist, an sich selbst zu arbeiten.
Nur wer sich sich weiter entwickelt, wer sich selbst Halt gibt und wer die Illusion ablegt, dass der andere dabei hilft, kann auch ungewollte Situationen aushalten.
Eine Beziehung kann sich langfristig nur dann entwickeln, wenn der Ton respektvoll klingt, wenn auch Platz für Themen ist, bei denen Tacheles zu reden ist und wenn Vorhaltungen und Maßregelungen unterbleiben.
Wer gegenseitig Individuation will, wer eine positive Beziehung zum Partner will, der muss auch mal den ersten Schritt machen und darf kein Ultimatum setzen.
Fazit für das Kennzeichen einer reifen Beziehung: Man ist mit dem Partner zusammen, weil man dies möchte und nicht, weil man nicht anders kann.
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