Wird Homosexualität im Schulunterricht des Ländles aufgewertet…?
„Roman“, wer, bitte, ist „Roman“? Ach, der Deininger. Wer? Welcher Deininger? *) Jener, der den Demonstranten in Baden-Württemberg deren irrationale Ressentiments vorwirft. Das sind jene, die offenkundig nicht wollen, „dass sexuelle Toleranz in der Schule behandelt wird, weil sie hoffen, dass Dinge verschwinden, vor denen man die Augen verschließt“. Sozio-kulturelle Sorgen also, denen „die Politik mit Argumenten begegnen“ müsse.
Hetero oder Homo, überzeugter Single oder zölibatärer Priesterhaushalt mit gleichaltriger Haushälterin, promisker Chauvi oder monogamer Partner, treu oder mit sexuellen Ausschweifungen…? Es hat mit „Kulturkampf“ doch wohl eher wenig zu tun, wenn über ein noch unfertiges Arbeitspapier der grün-roten Landesregierung wie auch immer diskutiert wird.
Warum aber Roman Deininger von der Süddeutschen das Papier als „eher unaufregenden Plan“ kennzeichnet, Schülern zu vermitteln, dass es neben Heterosexualität auch Homosexualität und ein paar andere Dinge gibt, wie – provokant – nun eben mal auch Swinger-Clubs es bieten -, kann doch wohl nicht von allen Gesellschaftsschichten gleichermaßen als „okay“ empfunden werden. Und so sind es nun mal 192 000 Personen geworden, die das über eine Online-Petition als „nicht okay“ empfinden.
Darf man denen auch vorwerfen, ihre Exegese des Papiers würde kategorisch ablehnen, dass man Kindern künftig gleichgeschlechtliche Liebe mit Pornos schmackhaft mache…??
Ein „Kulturkampf“ sei es, der auch anderswo tobe, schlimmer noch als im Südwesten: in Russland, mit homophober Gesetzeslage; in Frankreich, wo sich Schwule und Lesben gleichstellen wollen, aber gegen die „Ehe für alle“ demonstriert wird.
Sind alle die Petitenten und Demonstranten nun tatsächlich unvernünftig? Irrational?! Wohl nicht, denn die Freiheit der Gleichgeschlechtlichkeit der einen schränkt die Heteros nicht ein und auch nicht umgekehrt.
Und so ist wohl auch falsch, viele Demonstranten seien von Verlustangst getrieben und bangten „um ihre kleine, wohlgeordnete Welt, in der Vorurteile noch verbinden und wärmen.“
Erlaubt ist jedoch die Furcht zu benennen, „dass der Individualismus […] die Gemeinschaft zersetzt und irgendwann auch […] die Familie. Eine Sorge auch der Kirchen“.
Warum aber soll es „kein Zufall“ sein, dass sich gerade im Ländle Ablehnung breit macht…? Weil in ’schwäbischen Pietisten-Gemeinden‘ Harry-Potter-Bücher als ‚Hexenwerk‘ gelten?
Dagegen stünde die soziale Offenheit, gelobt von den Grünen, die Schwarzen abzulösen, das Land „umzupflügen“…noch weitere vier Jahre…wohl eher nicht!
Das liegt aber nicht daran, dass die knapp partätische Opposition – wie einst Stefan Mappus zum Christopher Street Day -,“das frivole, karnevaleske Zurschaustellen sexueller Neigungen“ ablehnt, sondern deshalb, weil „Grün-Rot“ auch für den Kultusbetrieb die Regenbogenfahne hisst.
MP Kretschmann sollte alsbald jenen zuhören, die sich am sozialen Regebogen in den Schulen stören. Homophobie, Gleichstellung und tradierte soziale und sexuelle Prägungen kann wohl kaum durch wenige Unterrichtseinheiten in der Mittelstufe abgeschüttelt werden.
Nach Roman Deininger sollten die Petitenten im Ländle nicht als „rückständige Waldschrate“ gelten, doch müsse man deren Sorgen und Ressentiments mit Argumenten begegnen, nicht mit Empörung.
Deininger macht es sich zu einfach, wenn er erklärt, dass immer noch im Parlament entschieden werde und eben die Koalition die Mehrheit habe. Frage zum zweiten: Noch mal vier Jahre…?!
Sexuelle Toleranz auf den linken Fahnen im letzten Wahlkampf ist das Eine; das MdB-Direkt-Mandat des ersten bekennenden schwule CDU-Kandidaten das Andere. Manchem ist und war das „wurscht“.
Fazit:
Aufklärung in der Schule ist ein Generationenprojekt. Doch nicht als „ideologische Umerziehung“, aber auch nicht als Präsentation neuzeitlich-moderner Partner-Praxis. Deshalb muss Politik glaubhaft sein, gerade mit gender-theoretischer Formulierung.
Über Freiheit von Ideologie, Toleranz und Respekt muss aufgeklärt werden, dass „schwul“ kein Schimpfwort und Homosexualität weder verwerflich, noch fremd noch unheimlich ist
Deshalb sind die Gegner der Stuttgarter Schulpläne dann auch nicht (alle) blind, leben nicht in kleiner und kleinlicher Welt, sie wollen Fremdes nicht unsichtbar machen, wollen nicht die Augen verschließen, wohl aber halten sie ihre Position, dass das Unterrichts-Thema sexuelle Toleranz nicht der epischen Breite aller ‚Spielarten‘ bedarf.
*)
Roman Deininger ist SZ-Korrespondent für Baden-Württemberg.
Er ist in Ingolstadt aufgewachsen, hat in München, Wien und New Orleans Politik studiert und bei der SZ ein Volontariat gemacht.
Bevor er nach Stuttgart ging, war er Korrespondent in Nürnberg.
Sein Kommentar unter:
http://www.sueddeutsche.de/bildung/homosexualitaet-als-schulthema-vorurteile-die-verbinden-1.1879120
Schreibe einen Kommentar