Was ist daran „Meilenstein“? – Wo bleibt das Selbst neben Beruf und Pflege?
Die Senioren werden immer älter und das gilt nun mal auch für die diesen nachfolgende Generation von Sohn oder Tochter. Stellt sich dann gleich die Frage, ob der 64-jährige Sohn für sich vereinbaren kann, wenn sich sein letztes Berufsjahr mit der häuslichen Pflege von Vater oder Mutter schneiden.
Ein Fördergesetz soll ab 1. Januar 2012 die Familienpflegezeit stärken, in dem durch „ein modernes Modell alle profitieren“; die Pflegenden und ihre pflegebedürftigen Angehörige, die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber. Und das ganze ohne Milliardenausgaben und ohne Ansprüche an die Zukunft der Enkel.
Ein Modell, durch das zugleich die Altersarmut verringert werden soll, die bei Frauen als Folge einer Pflegeauszeit auftritt. Als Lockmittel gilt für Arbeitnehmer in bislang prekären Arbeitsverhältnissen, dass wegen der „erledigten“ Familienpflegezeit deren Rente sogar steigt. Aber um wieviel…?
Da sind sich dann die Koalitionäre bei Schwarz-Gelb schnell einig: Die Familienpflegezeit zeige den Weg, wie die Anforderungen durch den demographischen Wandels bewältigt werden können. Skeptisch sind all jene, die nicht daran glauben, dass ihre physische und psychische Kraft ausreicht, Beruf und/oder Altersruhestand mit der Pflege von Angehörigen zu vereinbaren.
Da ist ministeriell gut davon zu reden, die Familienpflegezeit stelle einen Paradigmenwechsel in der Senioren- und Familienpolitik dar, der die demographischen Änderungen in unserer
Gesellschaft berücksichtige.
Wie wohnen die jetzigen Alten?
Da sind die Haushalte, die Wohnungen derer, die pflegen oder auch die Umgebung derer, die zu pflegen sind, so gut wie nicht geeignet, sich senioren-gerecht oder auch behinderten-gerecht zu bewegen.
Dass wie nebenbei die Bereitschaft der Arbeitgeber, der Firmeninhaber und der Arbeitnehmer für die Pflege ihrer Angehörigen ermöglicht wird, muss sich im sozialen Gewissen zeigen und nicht in der Selbstverständlichkeit, wie sie von MdB’s eingefordert wird.
Da reicht es nicht, mit einem „Fördergesetz“ den Arbeitnehmern Zeit für ihre Familie zu geben und den Unternehmen (noch unklare) Förderung anzudienen, indem für die häusliche Familienpflegezeit auf betrieblicher Ebene individuell und flexibel „notwendige Planungssicherheit“ versprochen wird.
Wenn Opa oder Oma häuslich von einem Familienmitglied in wohl ebenfalls bereits höherem Alter im Rahmen der Bedürfnisse von Familien gepflegt werden, dann oft auch, um den wirtschaftlichen Vorteil willen. Der nämlich heißt, sich der laufenden Rentenzahlung der Eltern zu versichern, das Pflegegeld mitzunehmen und im Altenheim nichts aus dem Geldvermögen der Eltern aufzahlen zu müssen, sofern dieses überhaupt gegeben ist.
Gegen Abgeld pflegen?
Was also ist von der Familienpflegezeit zu halten? Wollen Beschäftigte ihre Arbeitszeit über einen
Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 50 Prozent reduzieren, wenn sie einen Angehörigen pflegen? Reicht die Versuchung bei einem Gehalt 75 Prozent des letzten Bruttoeinkommens, wenn zum Ausgleich später – aber wann später ? – wieder voll
aufgearbeitet werden muss. Auch bei weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist.
Viele Familien stellen sich der schwierigen Aufgabe und pflegen einen Angehörigen selbst, kommen aber schnell an ihre Grenzen. Und das auch ohne Berufstätigkeit. Und auch die Furcht vor gravierenden finanzielle und berufliche Nachteile wirkt schwer; darf nicht verdrängt werden.
Denn die Pflege eines Angehörigen bringt die meisten Menschen an die Grenze der psychischen und
physischen Belastbarkeit. Wenn dazu auch noch die Angst um die Arbeitsstelle und die eigene Zukunft kommt, dann ist das für viele Angehörige eine beinahe unmenschliche Situation.
Hier nun greift die Sozial-Ethik ein: Bevor sich jemand in der Pflege bis zur Selbstaufgabe einbringt, ist das AHP, das Alten- und Pflegeheim angesagt… Man muss nur drüber nachdenken wollen.
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