Er ist schlau, gebildet, wissend und klug und zu allem Überflus auch ein Intellektueller: „Wer ist er, und wenn ja wieviele…?“ möchte man in Abwandlung eines seiner erfolgreichen Bücher fragen. Denn seine philosophischen Bücher lesen Millionen und wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Auch wenn er dem telegenen Anschein nach zum Lachen in den keller geht, dann gilt trotz allem: Wenn er denn was sagt, spricht Richard David Precht immer stets druckreif; bei der Rheinischen Post über Globalisierung, Demokratie und zur Suche nach Schuldigen in Krisenzeiten.
Was man von den alten griechischen Philosophen lernen könne, lautet die erste Frage, und der Leser solte wissen, wer dies sind…
R.D.P.
Na ja, es gebe einiges, was heute frappierend aktuell sei. Dazu gehöre die Tugendethik des Aristoteles. Nach ethischem Verständnis scheine es so, dass es nicht mehr auf uns selbst ankäme, da es ja für alles Gesetze gebe und alles durch Institutionen geregelt werde.
Die Moral sei eine Sache des Staates und nicht mehr der persönlich Lebensführung. Dazu gehörten aber auch ökonomische Überlegungen.
Nach Platon und Aristoteles sollte die Wirtschaft so konstruiert sein, dass sie möglichst nicht auf quantitatives Wachstum angewiesen sei. Das sei so ziemlich das Gegenteil dessen, was wir heute unter Wirtschaft verstünden. Das griechische Ideal sei gewesen, einen ökonomischen Kreislauf zu schaffen, der sich selbst genügt. Dazu gehörte auch, die Geldwirtschaft einzudämmen. Angesichts einer aus den Fugen geratenen Finanzwirtschaft sei dies ein Aspekt, der heute wieder zu dieskutieren sei.
Und was bitte gelte für die aktuellen Vorstellungen von Demokratie, die heute in Europa wieder ernsthaft und durchaus kontrovers diskutiert würden…?
R.D.P.
Wenn wir darüber nachdenken würden, ob es vielleicht neue Formen der Demokratie geben könne, so sollte man sich daran erinnern, dass in Griechenland eine viel direktere Demokratie praktiziert wurde.
Wäre das als Modell nützlich oder eher als Warnung?
R.D.P.
Die griechische Demokratie sei schnell gewesen. Wir aber kritisierten oft, dass unsere Demokratie heute zu langsam sei. Auf der anderen Seite sei eine langsame Demokratie auch weniger störungsanfällig.
Bei den alten Griechen habe man irgendjemanden denunzieren können, ein paar Tage später habe es einen Prozess gegeben, und wenn der Angeklagte Pech gehabt habe, sei er zum Tode verurteilt worden.
Diese Demokratie sei affektabhängig gewesen. Jeder Stimmungsumschwung habe neue Gesetze hervorbringen können.
Auch unsere Gewaltenteilung sei der Versuch, die Demokratie langsamer zu machen, damit sie nicht den Affekten ausgeliefert sei. Wir würden lernen, uns ein wenig vor der direkten Demokratie der Griechen zu fürchten, die nicht für vorbildlich zu halte sei.
Darüber müsse man mit den Piraten und der AfD diskutieren und all den Leuten, die immer gleich eine Volksabstimmung abhalten wollten. Es sei ja völlig klar, dass eine Volksabstimmung über Flüchtlinge vor eineinhalb Jahren anders als vor einem Jahr ausgesehen hätte und in einem Jahr wieder anders ausfallen würde.
Müsse man wie Griechen noch immer über Formen des Zusammenlebens nachdenken, obwohl man eher noch keinen Schritt weitergekommen sei?
R.D.P.
Dieses Wissen sei verlorengegangen. Man würde sich das immer so vorstellen, als sei die Philosophie – ausgehend von den Griechen – eine aufsteigende Linie. Doch die Traditionslinie sei lange abgerissen gewesen. Erst im Spätmittelalter habe man den Schatz des Denkens wieder gehoben.
Wenn man den wirklich aktiven philosophischen Raum beleuchte, müssen man 1000 Jahre rauskürzen. Die Beschäftigung mit philosophischen Fragen sei längst nicht so lange wie unsere Kulturgeschichte. Andererseits sei es schön, dass es Fragen gebe, auf die man endgültige Antworten noch nicht gefunden habe. Er stelle sich das Leben langweilig vor, wenn man die zehn wichtigsten Menschheitsfragen mit zwei Sätzen beantworten könnte.
Müsse es einen nicht verunsichen, wenn man in sicheren Zeiten aufgewachsen sei und wenn jetzt jetzt Wertegemeinschaften wie die Europäische Union in Frage gestellt würden?
R.D.P.
Er sei in 1964 geboren und habe es als junger Erwachsener schade gefunden, dass die 80er und 90er Jahre politisch und gesellschaftlich unglaublich langweilig gewesen seien. Damals habe er sich einfach mehr utopisches Potenzial gewünscht.
Jetzt hätten wir eine Zeit, in der ordentlich was los sei, doch sei man sofort beunruhigt, weil man gar nicht daran gewöhnt sei. Aber in der Geschichte der Menschheit habe es fast nur bewegte Zeiten gegeben. Hegel habe einmal gesagt, die friedlichen Zeiten sind die leeren Seiten im Buch der Weltgeschichte. Und davon gebe es nicht viele.
Müsse man also von den aktuellen Krisen also weniger beunruhigtsein….?
R.D.P.
Man habe keinen Anspruch darauf, dass alles immer so friedlich und geordnet bleibe; aber natürlich gebe es auch Anlass zur Beunruhigung. Was ihn grundsätzlich ärgere, sei, dass die beunruhigten Leute immer über die Fähigkeit verfügten, den Falschen dafür die Schuld zu geben.
Dass man jetzt ausgerechnet den armen Teufeln, die aus Syrien kämen, die ihre Familien und ihr Hab und Gut verloren hätten, die Schuld dafür gebe, dass vieles schlechter werden könne, das sei erschreckend dumm.
Vielmehr sehe er die enorme Herausforderung darin, dass man keine Globalisierung haben könne, von der man profitiere, ohne dass die Menschenströme den Kapitalströmen folgten und bei uns vor der Haustür stünden.
Er wundere sich, dass wir so täten, als wenn man das eine davon haben dürfe und das andere verhindern könne. Auch um dieses Problem lösen oder verringern zu können, bräuchten wir politischen Utopismus.
Sprach’s wohl und ging zum Lachen wieder in den Keller…
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