Ein Kommentar von Gisela B. Laux
Ich bin ein Kind der 60er Jahre. Das Grundgesetz wurde 1949 vom Parlamentarischen Rat der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet und ist nach der so genannten Wiedervereinigung 1990 zur Verfassung des „gesamten Deutschen Volkes“ geworden.
Gerade die ersten Paragraphen unserer Verfassung garantieren uns Gleichheit. Niemand darf aufgrund seiner Herkunft oder seines Geschlechtes benachteiligt werden.
Uns ist auch das Recht auf Arbeit garantiert.
Trotz dieses Grundgerüstes, das uns Schutz und Ordnung garantieren soll, war es immer wieder notwendig, weitere Verstrebungen einzubauen, um dem Verfassungsgebäude Stabilität zu geben.
So durften Frauen 1949 noch gar nicht wählen und wurden Homosexuelle noch in den 80ern schwer bestraft. Zum Beispiel mit Berufsverbot. Ein schwuler Lehrer? Das durfte einfach nicht sein. Erst 2006 wurde ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz eingeführt.
Ein Gebäude muss gepflegt werden. In jedem Mietvertrag ist vereinbart, wer welche Reparaturen übernimmt. Meist sind die Schönheitsreparaturen die Belange der Mieter, und Alles, was fest installiert ist, muss vom Vermieter instand gehalten werden. Also Alles, was zum Gebäude selbst gehört.
Die Verfassung soll auch die Freiheit der Bürger (der Mieter) gewährleisten. Freilich in dem Rahmen, dass Keiner die Freiheit eines Anderen (Mieters) beschränkt.
Jetzt haben wir Bewohner, wir Bürger, wir Wähler dieses Landes, der Bundesrepublik Deutschland begriffen, dass nicht wir selbst es sind, die für die Sanierung des Grundgesetzes verantwortlich sind. Wir dürfen es nicht. Wir müssen vertrauen und die Gesetze einhalten.
In den späten 80er Jahren habe ich hautnahe gespürt, wie es sich anfühlt, von dem Freistaat Bayern aus 1% der Bürgern dazu ausgewählt zu sein, innerhalb der Volkszählung differenzierte Angaben über mich zu machen. Das Anschreiben war freundlich. Ja, ich sollte mich geehrt fühlen, zu den erwählten 1% zu gehören. Die Fragen waren mir befremdlich, studierte ich doch gerade am Geschwister-Scholl-Institut Politikwissenschaften mit Schwerpunkt „Demokratisierung“ und „Europapolitik“. Alles, was mir gerade durch das Studium an den Errungenschaften unseres Landes bewusst wurde, stellte ich mit dem Erhebungsbogen in Frage.
Es war doch die DDR, in der der Bürger ausgehorcht und bespitzelt wurde. Nicht „unsere“ Bundesrepublik! Ich konnte mich doch nur verlesen haben, als ich las, dass ich bestraft würde, wenn ich den mehrseitigen Fragebogen nicht ausfüllen würde. Meine Nachfrage ergab, dass ich verpflichtet sei, dieser Aufforderung fristgerecht nachzukommen.
Allerdings entdeckte ich, dass ich meinen Namen, der an perforierten Zetteln an jedem Blatt der Fragebögen angebracht war, entfernen konnte. Das tat ich, beantwortete nicht jede Frage und sendete meine Pflichterfüllung fristgerecht ab.
Die Praxis lehrt uns entschieden mehr als die Theorie! Der „gläserne Mensch“ war geboren.
Wir gewöhne uns indess an immer mehr: Wir tragen Namen und Zahlen. Wir haben Kreditkarten, Paybackkarten, Monatskarten, eine Sozialversicherungsnummer, mindestens eine Steuernummer, Bonuskarten mit unseren Daten, eine Fahrerlaubnis, einen Fahrzeugschein, eine Krankenversicherungsnummer, Kundennummern von Telekommunikation, von Providern…Ja, jetzt kommen wir der Sache näher.
Das Internet ging aus dem 1969 entstandenen Arpanet hervor, einem Projekt der Advanced Research Project Agency (ARPA) des US-Verteidigungsministeriums. Es wurde zur Vernetzung von Universitäten und Forschungseinrichtungen benutzt. Ziel des Projekts war zunächst, die knappen Rechenkapazitäten sinnvoll zu nutzen, erst in den USA, später weltweit.
Der schärfste Verfechter für „Onlinedurchsuchungen“ war und ist Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Terroristen nehmen keine Rücksicht auf unsere Debatten. Daher mein Drängen, die Online-Durchsuchung für Terror-Computer schnellstmöglich in das Gesetz zu nehmen“. „Bundestrojaner“ sollen die virtuellen Blauhelme heißen. Das macht Datenschützer unwirsch.
Das Verfassungsgericht hat nun den Beschluss gefasst, dass „Online-Durchsuchungen“ auf PC’s (Personal Computern) legitim sind.
Was bedeutet der Begriff „Online-Durchsuchung“? Diese Frage kann schon einmal von der Theorie her vielseitig beantwortet werden. Ein Computer-, beziehungsweise IT-Spezialist, ein Online-Experte wird andere Antworten geben als ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes. Herr Schäuble sagt, Onlinedurchsuchung nur, wenn „Gefahr im Verzug“ ist. Das kann Interpretationssache sein.
Die Richter des Verfassungsgerichtes jedenfalls beteuern, sie wollen nicht „leichtfertig“ in unsere Grundrechte eingreifen, wobei der „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ relativiert wird.
Wie genau? Fest steht, dass Online-Durchsuchungen „neue technische Methoden allgemeiner Überwachung“ mit dem Nebeneffekt „Ausweg aus personeller Knappheit“ sein sollen.
In diesem Zusammenhang stehen schon die nächsten Entscheidungen aus Karlsruhe vor der Türe: Automatisierte Erfassung von Autokennzeichen.
Das Neue Grundrecht: Das klingt wirklich nett. Bei soviel Beschneidung von Grundrechten kann unsere Verfassung bald ihr Testament machen. Wer sind dann die Erben?
Gisela B. Laux
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