Die einen unten, die Oberen oben – wie im richtigen Leben!
Seit der Zeit einer fotografischen Erinnerung an eine bescheidene Cowboy-Kluft, einen aufgemotzten Frauengürtel mit Nieten und an ein Holzmesser statt einer Käpsele-Pistole, weiß ich: Wir waren jedes Jahr auf der Fasnet!
Ja, „auf der Fasnet“! Warum dies im alemannischen Baden auch immer so heißt. Ein ‚Ja‘ auch dazu, dass wir kein traditionelles Häs hatten, wie jene paar Hundert Familien in der Kleinstadt, die längst ihr lokal einmaliges, edles und herausragendes Weißnarren-Häs von Generation zu Generation vererbten.
Und trotzdem sind meine Eltern auch nicht vor der Fasnet geflüchtet, wenn der süddeutsche Karneval, der hier nun mal Fasnacht heißt, vor der Tür stand.
Doch die Fasnet-Tage waren aber auf keinen Fall jene „jecken Tage“ und ideale Gelegenheit, um soziologische Studien zu betreiben. Man wunderte sich allenfalls als gereifter Jugendlicher, wie sich denn die erotischen Bäumchen über die Fasnet gelegentlich wechselten…
Denn hier ging es tatsächlich auch um Kätzchen, Mäschgerle und langbeinige Glonkinchen, die sich der erotischen Näherung nicht verschlossen.
Spannend oder gar wunderbar war dann aber keinesfalls das Miteinander bei der Straßenfasnet, sondern eher das närrische Leben bei den circa ein Dutzend Bällen und in den 20 Besenwirtschaften, wogegen übers Jahr eher wenig Miteinander spürbar war.
Doch was liest man, dass es zum Beispiel in Düsseldorf gilt? –
Tausende Menschen, Jung und Alt, Mann und Frau, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Ureinwohner oder Zugezogener, reich oder arm, fröhlich und ausgelassen „feiern“ mit- und nebeneinander.
Ei, da haut‘s den Alemannen fast um, wenn er sich mal den Rosenmontag in der Glotze vornimmt. Ein dichter Brei von uniformierten Jecken beweist sich selbstgefällig darin, von wuchtigen Aufbauten auf noch wuchtigeren Karnevalswagen über Stunden Süßigkeiten als „Kamellen“ und „Strüßchen“ auf die hungrige Bevölkerung zu knallen.
Drunten die die längst schon kariösen Kinder mit vollen Beuteln an Zuckrigem und Süßem: Kinderaugen, die „ohnehin gleich leuchten“…
Und dann sei das Ganze auch noch ein Karneval der Kulturen, wozu die Rheinische Post schreibt:… so einfach kann Integration sein… zumindest für ein paar Stunden…
Drum schnell zurück nach Alemannien, wo die bereits benannten Häs-Träger in einer legionären Zahl ihren historischen Umzug liefern, dass selbst der Rottweiler Narrensprung dagegen ein kurzer Werbeblock ist: „Ich zeig‘ euch mein Häs!“ (für ca 4000 Euro)!
Was, du hast keins! Dann macht dich das auch nicht zu einem der Unsrigen aus dem saturierten Milieu der bürgerlichen Kleinstadt.
Was aber wird in West und Süd tatsächlich gefeiert? – Denn Karneval sei nicht nur während der Straßenumzüge ein Hort der Narretei. Auch in den Sitzungen und auf den Bühnen gelte die maximale Freiheit des Wortes. Satire, Gags, Provokationen, das sei der Ur-Zustand.
Heidenei!, meint der Badener, das machen wir doch auch, halt auf lokaler Ebene; mit und über Geschäftsleute, Politiker, Beamte, Gemeinderäte, Türken, Lehrer oder Helikopter-Eltern…Klar doch!
Und man nimmt auch wenig Rücksicht, wenn die Pointe sitzt.
Aber solche gleich zu Intersexuellen? Also bitte, warum nicht!
Denn auch die Fasnet weiß, dass sie auf der Bühne dann funktioniert, wenn man eher weniger Rücksicht nimmt.
Deshalb hätte auch die Bühnenfigur der saarländischen Putzfrau AKK mit dem Gag über Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch im Stehen oder bereits im Sitzen zu pieseln haben, gut hierher gepasst.
Fasnet ist also nix zum Hassen, allenfalls, wenn man sie gar nicht mag und man noch immer nicht weiß, wie man sich im Kreis von Hexen wohl fühlt, nicht mehr anonym zu sein.
Aber dann mit Maske durch die kilometerlange Straßenfasnet strietzt…Narro-Hui!
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