Jeder dritte Bürger in der EU-Bevölkerung sei im Laufe des Lebens von psychischen Krankheiten betroffen. Und dennoch komme das Thema im Schulstoff nicht vor.
Man lerne zwar schon in Klasse 1 bis 4 richtig die Zähne zu putzen und in der Oberstufe erfährt man, wie man Kondome überzieht, doch über psychische Krankheiten wird an den wenigsten Schulen gesprochen.
Ein Faktum, das jetzt sechs Abiturienten aus Taufkirchenmit einer Petition an den Bayerischen Landtag ändern wollen.
Die Schüler der Jahrgangsstufe 12 machen gemeinsam Filme, haben vor zwei Jahren die MovieJam Studios als eigene Produktionsfirma gegründet und schließlich haben sie eine Spielfilm-Doku über Depression gedreht.
Doch die meisten der Jahrgänge drunter oder drüber wüssten nicht, wie sie auf depressive Mitschüler reagieren sollen. Lieber werde gelästert, als sich damit auseinander zu setzen.
Deswegen wolle man, dass es obligat werde, im Schulunterricht über psychische Krankheiten aufzuklären.
Es sollen Lehrer und Sozialpädagogen zum Thema ausgebildet und Maßnahmen gegen Stigmatisierung ergriffen werden.
Denn das Thema betrifft wohl viele. In der EU gilt, dass knapp ein Drittel der Bevölkerung im Laufe des Lebens von psychischen Krankheiten betroffen sei, schätzt (!) die WHO. In Deutschland seien es rund 5 Prozent, die mit Depressionen leiden. Somit werden auch bei Jugendlichen die Zahlen so hoch geschätzt.
Die Petitenden erinnern sich, wie der Leistungsdruck auf dem Gymnasium ab der neunten Klasse stieg, als die ersten Prüfungen kamen.
In der Stufe wurden einige psychisch krank, was man aber nicht gleich mitbekommen habe. Den Sozialpädagogen zu kontaktieren, hätten sich wohl die meisten nicht getraut.
Derweil läuft in England das Modell-Projekt „Achtsamkeits-Unterricht“. Dabei werden Entspannungs- und Atemtechniken schon in der Grundschule vermittelt, später kommen Inhalte zu mentaler Gesundheit mit Experten hinzu.
Noch aber sei sowas in Bayern eher wenig realistisch, denn neue Fächer zu fordern funktioniere nicht.
Doch sind die Abiturienten überzeugt, dass man das Thema in anderen Fächer mit abdecken könne. Zum Beispiel im Fach Deutsch, wenn ‚Bahnwärter Thiel‘ von Hauptmann gelesen werde…
Als Argument gegen gezielte Aufklärung würde jedoch oft der sogenannte „Werther-Effekt“ genannt, also die Furcht davor, dass Depressionen oder Suizidgedanken erst dadurch geweckt würden.
Wenn Lehrer in Bayern mit ihrer Klasse über psychische Krankheiten sprechen wollen, hilft der Verein „Irrsinnig Menschlich“ mit klärenden Hinweisen zu Krisen, Warnsignale und Bewältigungsstrategien.
Denn die meisten psychischen Krankheiten beginnen vor dem 20. Lebensjahr, was auch bedeutet, dass eben die Jugend als der wichtigste Lebensabschnitt für Prävention anzusehen ist. Den „Werther-Effekt“ gebe es dabei nicht, weil nichts geweckt werde und alle Probleme alle schon da seien.
Für den Verein hat die Uni Leipzig inzwischen evaluiert, wie wenig deutsche Schulen sich um Prävention und Gesundheitsförderung kümmern:
Die Lehrer haben keine Zeit dafür, niemand ist verantwortlich und die wenigsten Schulen fahren eigene Programme.
Auch aus diesem Grund wurde nicht nur die Online-Petition veröffentlicht, sondern auch beim Bildungsausschuss des Bayerischen Landtags eingereicht.
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