Warum nicht mal so? – Deutsche Weihnachsfeier mal anders
Sehr geehrte Mitarbeiter und -innen, liebe Kollegen und -innen
verehrte und abseitige Abteilungsleiter, liebe Rentner,
da Sie und ich einige der Anwesenden namentlich leider nicht mehr präsent haben und diese in der Schublade „kollegiale Grabsteine“ verschwanden, möchte ich Sie mit unseren Alt-Vorderen ein wenig nostalgisch ins vor-weihnachtlicheAbseits führen, während Sie sich an Ihren Tischen nach rechts und links selbst vorstellen.
Heute nun,
kann ich – ja ich erdreiste mich -, Ihnen und euch ein wenig literarisch vorzutragen, es gar herzlich zu schätzen, den heutigen Abend in Geselligkeit zu verbringen und nicht etwa hören zu müssen, wie es einst dem Lyriker Ror Wolf in den Sinn kam:
Die Pflege der Geselligkeit
Meine Damen, meine Herrn, um einmal auszuschweifen,
will ich die Gelegenheit ergreifen, denn ich pfeife hier im Speisesaal
einmal ordentlich auf die Moral.
Dies sagt die junge Witwe zu dem fetten
Apotheker im Rauch der Zigaretten.
Meine Damen, meine Herren, heute Abend kommen wir zum Kern.
Weil, nach einem üppigen Verzehr empfiehlt sich die Erotik und noch mehr
Grad wie wir sitzen auf den Stühlen, werden wir uns ins Vergnügen wühlen
oder gar auf abgedeckten Tischen und ohne sie erst abzuwischen…
Doch lesen Sie die lyrische Fortsetzung an andere Stelle ganz individuell weiter..
Kommen wir viel eher zur sog. Deutschen Weihnacht,
die neudeutsch auch X-Mas genannt wird und Wochen vor dem Fest auch zahlreiche Psychologen beschäftigt.
Schließlich ist seit Robert Skilef und seinem Werk „Nanu, Naja!“ eine Lebenstheorie besonderer Art bekannt:
Jeder von uns schleppt über geraume Zeit seines Lebens ein Paket mit sich herum, ohne zunächst dessen Inhalt zu kennen. Was nun aber drin ist, fix und fertig, gebrauchsfähig, vollständig und beglückend, das erfährt man erst, wenn das Paket zum richtigen Zeitpunkt sorgfältig und vorsichtig ausgepackt wird. Und so hört man schon mal von fern oder auch von ganz nah:
Hurra, hurra, mein Selbst ist da!
Diese Selbstentdeckung erfährt besonders zur Weihnacht ihren tiefen Sinn, denn nichts ist schlimmer als die Feststellung:
„Weihnachten allein wie furchtbar!“
Also macht sich ein Großteil der Deutschen auf, hin zu den Lieben zu fahren, und andere rüsten sich ganz motiviert, die lieben Lieben zu empfangen!
Selbstfindung – als eine Suche in der Zwischenmenschlichkeit!
Natürlich aber wissen wir auch von Menschen, die niemanden kennen,
um das Weihnachtsfest als Selbstentdeckung oder Selbstfindung zu erfahren.
So geben viele Singels auch Kontaktanzeigen auf, um eben diese Erfahrung
„Weihnachten allein wie furchtbar“
nicht ein wiederholtes Mal erleben zu müssen.
Da machen auch Zeitschriften für die gehobenen Stände wie Ambiente, Madameoder Südkurier, auch Trippl‘s Welt, genannt, Stadtanzeiger, WOM oder Geo keine Ausnahme:
Weihnachtswunsch! Möchten auch Sie Weihnachten nicht alleine sein?
Sehr jung gebliebene, diplomierte und reife Endvierzigerin mit halbem Lehrer-Deputat im kaufmännischen Fächerfeld und mit fachfremd Deutch,
erotisch adipös, doch von schweren Enttäuschungen leidgeprüft und zu Optimismus erzogen, würde sich freuen, Ihnen, dem charakterfesten und gesicherten Herrn mit Interesse an Chormusik, ein schönes Weihnachten mit echter Stimmung und reiner Pflanzenkost zu gestalten.
Nur Nichtraucher erwünscht. Chiffre unter…. an dieses Blatt!
Oder das Inserat in einer Angler- und Jägerzeitschrift:
Weihnachten allein!?
Aber du doch nicht, langhaariges blondes Schmalreh bis 22 Jahre, nicht höher als eins 69 und möglichst ungespickt.
Denn du kannst mit einem erfolgreichen jugendlichen Jägersmann, 41, doch jünger aussehend, Jaguar-Fahrer mit Doktortitel h.c., eine frohe weihnachtliche Zweisamkeit begründen.
Bei Gefallen: Heiratsmöglichkeit. Flotte Jägerinnenkleidung gestellt werden; eigene scharfe Büchse ist vorhanden.
Doch auch in progessiven und under-groundigen Großstad-Blättern oder in Zeitschriften für jung gebliebene Motorradfreaks und spät berufene Alt-Rocker ab 66 mit schwerer BMW kann entdeckt werden:
Es weihnachtet! Welche vollkurvig gebaute Tiger-Katze mit Erfahrung im Zündkerzen wechseln und mit unendlicher Sehnsucht nach Asphalt-Dschungel und Dauerbindung überwindet als künftige Motorradbraut
mit dynamischem, lernbereiten Oberstudienrat, 55,ohne finanzielle Altlast, heimelig die stimmungsvollen Weihnachtstage und hat Lust auf eine gemeinsame Zukunft ohne erotische Tabus. Tatoos erwünscht, Piercings o.ä. akzeptabel.
So unterschiedlich diese Anzeigen auch sein mögen, ihnen gemeinsam ist das Streben nach Sinngebung und Sinnerfüllung der Feiertage gemäß dem psychischen Sinn der Weihnacht, dem Fest der Selbstfindung.
Vorausgesetzt, man ist nicht scheu,ist kontaktfreudig,ist eben nicht allein.
Oder wenn, dann nur begleitet und therapiert durch die wöchentlich mehrmalig interessierte Zuwendung eines erfahrenen Psychologen.
Denn sonst, sonst könnte man(n) sich schließlich doch vorkommen wie die jahreszeitliche Besonderheit des doch wohl eher geschlechts-neutralen Weckenmannes.
Ihnen einen schönen Abend!
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