Lange vor dem Fußball-Foul – Boxen war einst rau und ohne Disziplin
von Wolfgang Bräun
„Defensive Grätsche gegen den Ball“, doch der Gegenspieler fällt! Klares „Foul!“ Und dann der Aufschrei der Fans: „Schiedsrichter ans Telefon!“ – So kennt und kannte jeder Bub den Begriff seit Jahrzehnten aus dem Fußballsport.
Als der 24-jährige Max Schmeling (Maximilian Adolph Otto Siegfried; 1905 – 2005) am 12. Juni 1930 als erster Europäer Box-Weltmeister im Schwergewicht wurde – vor 85 000 Zuschauern im New Yorker Yankee Stadion – hatte sein Gegner Jack Sharkey, der nicht nur bei den Buchmachern als überlegen galt, in der 4. Runde dem deutschen Gegner einen Tiefschlag versetzt.
Damit hatte Sharkey „foul“ geboxt, was der Ringrichter mit dessen Disqualifikation bestrafte.
Obwohl sich solche Attacken in anderen Gewichts-Klassen schon zuvor ereignet hatten, war es das erste Mal, dass der Titel eines Weltmeisters durch Disqualifikation, also durch „foul“ eines Kämpfers und eben deswegen ohen weitere Wertung, Aufgabe oder K.O. „errungen“ wurde.
Die Geschichte des Boxsports bekam in jenen Jahren neue Aufmerksamkeit, denn das „foul“ gehörte fortan auch für den Boxsport-Fachmann zu den Kampfregeln als „verstoßender Schlag“ oder eine regelwidrige Kampfhandlung.
Verboten waren somit Schläge unterhalb der Gürtellinie, Schläge mit der Handkante oder dem Unterarm, dem Ellenbogen oder dem offenen Handschuh.
Verboten war es ebenso, mit dem Kopf zu stoßen oder weiter zu schlagen, wenn der Gegner am Boden liegt. Auch Schläge auf den Hinterkopf oder gegen die Nieren waren und sind tabu.
Zu ersten offiziellen Kampfregeln kam es jedoch erst 1838 – also lange vor den Fußballregeln – durch den englischen Meister Jack Broughton, der auf den ersten englischen Meister James Fig anfangs des 19. Jahrhunderts folgte.
Eine Zeit, in der das Boxen noch als „edle Kunst der Selbstverteidigung“ galt, jedoch dieses „Epitheton ornans“ als „schmückendes, das heißt typisierendes, formelhaftes, immer wiederkehrendes Beiwort“ nicht verdiente.
Denn das Boxen war für lange Zeiten rau und ohne Disziplin, weil man zunächst noch mit bloßen Fäusten kämpfte und Griffe und Schwünge erlaubt waren, den Gegner zu Boden zu bringen. Von „Ritterlichkeit“ also keine Spur.
Erst als man „Box-Behörden“ gegründet hatte und die Öffentlichkeit und die Sportpresse in den 20er Jahren die Box-Kämpfe in geordnete Bahnen lenkte, änderte sich das „Odium“, dass das Boxen nichts weiter sei als ein blutiges, auf den rauen Instinkt der Massen ausgerichtetes Spektakel.
Foul, englisch foul für „schlecht“, oder „schmutzig“
stammt proto-germanisch von „fūlaz“ gleich „faul“ oder „verrottet“.
Dass die Ringrichter schließlich strenger auf Regelverstöße achteten, war den hohen Summen zuzuschreiben, die für Sieger und Verlierer ausgelobt waren.
So kam der viel umstrittene englische Meister Phil Scott durch Disqualifikation seiner Gegner gleich mehr als sechs Mal zum Sieg.
Nur nicht 1929 gegen Sharkey in Miami, obwohl dieser einen Tiefschlag setzte, den der Ringrichter Magnolia nicht ahndete, Scott jedoch deswegen aufgeben musste.
Ähnliches im Kampf im Mai 1922 zwischen dem Franzosen Georges Carpentier und dem englischen Ex-Weltmeister Ted Kid Lewis: der Ringrichter ermahnte beide gleichzeitig, ohne den Kampf zu stoppen, achtete aber nicht darauf, dass nur Lewis der Verwarnung „andächtig lauschte“ und der Franzose ihn „mit einem furcht baren Kinntreffer“ aus-knockte.
Ein Vorfall, der die Fans von Ted Kid maßlos erregte, weil es denn wieder mal „foul“ war.
Doch Goerges Carpentier wurde zum Sieger erklärt.
Noch in den 1930ern war Sport-Journalist Kurt Dorrey der Ansicht, dass es keinem Boxer zu verdenken sei, wenn er in einem Kampfe, von dessen Ausgang ein Weltmeister-Titel für ihn abhänge, alle Vorteile wahrnehme, die sich aus einer Regelwidrigkeit ergeben…
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„Grätsche und Foul beim Fußball“… da hilft dem Referee
doch manchmal auch der Video-Beweis.
„Gene“ James Joseph Tunney 1897 – 1978: der Genteleman-Boxer war als “erster wahrer Techniker im Boxring“ unumstrittener Schwergewichts-Weltmeister von 1926 bis 1928.
Karikatur auf Gene Tunney, der als seinen schönsten Erfolg zählte, dass er Mitarbeiter Encyclopaedia Britannica sei.
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