Warum die Maske des Offiziers Guy Fawkes (1570-1606) populär wurde
Egal, wo die seit 2010, seit Jahr und Tag und seit dem Börsencrash, seit Occupy und dem Kampf gegen Macht der Banken protestiert wurde und wird, tragen einzelne Demonstranten immer auch eine Maske, die einem irgendwie fremd war und doch bekannt vorkam. Wer aber ist damit eigentlich dargestellt?
Was immer den außer-parlamentarischen Polit-Alltag in jüngster Zeit bewegte, stets gehört die Maske eines Mannes dazu, der schon seit über 400 Jahren tot ist: Guy Fawkes. Ob bei der Verhaftung von Wikileaks-Chef Julian Assange oder bei Aktivisten der Occupy-Bewegung – ungezählte Idealisten haben seine Physiognomie als Profilbild gewählt. Auch in Spanien und Griechenland marschieren Menschen als Guy Fawkes…
Der katholische Offizier mit dem Bart, wie ihn einst Musketiere trugen, wollte am 5. November 1605 das britische Parlament mitsamt dem König in die Luft jagen. Ein vereitelter Sprengstoff-Anschlag, seinerzeit auch als Pulververrat (Powder Treason) bzw. Pulververschwörung (Gunpowder Plot) bezeichnet, machte den Sprengstoffexperten Guy Fawkes zu einem Leitbild für all jene, die sich radikal gegen Autorität(en) wenden wollen. In britischen Städten wird dem Ereignis auch heute noch am Abend des 5. November in Rahmen der „Bonfire Night“ gedacht.
Wie aber Guy Fawkes Maske zum Symbol des Anarchismus wurde, bedarf der näheren Schilderung.
Leitbild für die APO, die außer-parlamentarische Oppostion
Der Boom mit Fawkes-Masken geht zurück auf das Jahre 2008, als das Kollektiv ‚Anonymous‘, das sich einen ‚berüchtigten‘ Namen durch spektakuläre Hacker-Angriffe machte, eine Kampagne gegen die Scientology- Sekte startete. Die Kritik entzündete sich daran, dass man um die Freiheit des Internets fürchtete, weil Scientology versucht hatte, bei YouTube ein Video verbieten zu lassen. In diesem ging es um den Parade-Scientologen Tom Cruise, der sich offen zu den Ziele der Bewegung bekannte.
Die Aktivisten von Anonymous, hervor gegangen aus dem anarchischen Bilderforum 4Chan, wetterte zunächst mit gezielten Aktionen gegen Scientology. Es folgten Attacken gegen Websites, die man mit massenhaften Anfragen überlastete, und man erklärte sich solidarisch mit den Aufständischen in Ägypten, Libyen, Syrien und anderswo. Man verteidigte WikiLeaks und zog gegen die Branchenverbände der Musik- und Filmbranche ins Feld.
Wer sich zu Anonymous bekennt, der schätzt die freie Information und das Recht auf Anonymität – weltweit und für das Heer der User. Schon bei ersten öffentlichen Demonstrationen vor der Londoner Zentrale von Scientology sah man erstmals Guy-Fawkes-Masken, während der Protest auf dem Kontinent noch Sonnenbrille trug. In England ist man nun kaum überrascht, dass die Guy-Fawkes-Masken von britischen Polit-Aktivisten getragen werden, denn am 5. November wird mit Feuerwerk und karnevalesken Events des „Gun Powder Plots“ gedacht. Dem Datum, an dem Fawkes 1605 zahlreiche Fässer mit Schießpulver in den Kellern des Londoner Parlaments versteckt hatte. Alles jedoch noch lange kein Grund, daraus die Idee abzuleiten, mit einer populären Maske politische Agitation anzustacheln. Bis Alan Moore sich als wohl ‚zweifelhaftes Genie‘ bewies. Als britischer Comicautor kam er zum Erfolg, in dem er einen anarchistischen, anonymen Einzelkämpfer zum Bombenkrieger gegen ein totalitäres England machte. Sein Buch galt als Ausdruck der Paranoia linker und liberaler Intellektueller, die sich unter Premierministerin Margaret Thatcher ernsthaft vor einer faschistische Gesellschaft nach George Orwells „1984“ fürchteten…
Und eben dieser „Held“ trug eine Guy-Fawkes-Maske, um unerkannt zu bleiben und weil ihm seine Identität bei medizinischen Versuchen geraubt wurde. Für diesen vermeintlichen Helden galt schließlich als Sieg, dass er mit Bomben-Attentaten das Volk aufwiegeln und das Regime stürzen konnte.
Fawkes-Masken im revolutionären Chic
Nachdem der Plot mit „V for Vendetta“ 2006 verfilmt wurde, produziert von den Wachowski-Brüdern, die auch „Matrix“ für viele Pop-Anarchisten geschaffen hatten, erfuhr Alan Moores Protagonist eine Popularität, die den Comic überflügelte. Damit legte wohl der Film die Spur zu den maskierten „Anonymi“ in London 2008. Markant grinsende Guy-Fawkes-Larven tauchten in Deutschland jedoch erst 2009 auf, als man gegen Netzsperren und gegen die „Zensur“ demonstrierte, die Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble anstrebten. Inzwischen hat Guy Fawkes die Sphäre der Netzkultur verlassen und mutierte für die Avantgarde in der Politmode zum revolutionären Chic.
Wie machtvoll westliche Popkultur außereuropäisch werden kann, wurde deutlich, als sich tunesische Schüler während der Jasmin-Revolution mit Guy-Fawkes-Masken ausstatteten. Und selbst bei den „schwäbischen Wutbürger.Protesten“ gegen Stuttgart 21 war Fawkes-Outfit präsent und bei Amazon für den Verkauf vorrätig.
Zum Phänomen in der Masse wurden die Masken dann auch in Spanien. Sowohl bei Protesten gegen die Pläne einer Internet-Zensur des Kulturministers Angeles Gonzalez Sinde wie auch als Zeichen allgemeinen Misstrauens gegen die politische Klasse wurden Masken des Guy Fawkes ertragen, der zu Lebzeiten als bislang Einziger ein Parlament mit ehrlichen Absichten betreten habe.
Bizarr an der Spanien-Verbindung ist dann aber auch, dass der echte Fawkes katholischer Fundamentalist war, der als Söldner für Spanien kämpfte, was man aus heutiger Sicht als das totalitäre Reich des Bösen der Barock-Epoche bezeichnen könnte. Fawkes Freiheitsbegriff steht somit diametral zu jenem seiner jungen Fans unsere Tage. Seiner Maßgabe zufolge sollten nur rechtgläubigen Glaubensbrüder sich des Terrors bedienen dürfen. Fawkes Leben endete auf seinen gescheiterten Anschlag, als er nach tagelanger Folter am Tag seiner Hinrichtung 1606 vom Podest des Galgens sprang und sich tödlich verletzte…
Bildquelle: Fawkes Maske © Gebi – Fotolia.com
Anonymous XD meint
Danke,
das konnte ich sehr gut
für meine Hausarbeit gebrauchen 🙂