Ein Kommentar von Gisela B. Laux
In Grönland braucht Frau Merkel kein Eis zum Schmelzen zu bringen. Das geschieht dort ganz von selbst und das ist nicht gut so.
Gar nicht gut ist, dass Eiszeit in der Sozialpolitik Deutschlands ausgebrochen ist. Und das nicht erst seit gestern, sondern seit dem 1. Januar 2005. Seitdem hat das Gesetz, das die Kommission mit der euphemistischen Bezeichnung „Das vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen“ unter dem Namensgeber Hartz, Hartz IV genannt, ins Leben gerufen hat, Millionen Menschen nahezu enteignet und sie einen Großteil ihrer bürgerlichen Rechte beraubt.
Wer von Hartz IV betroffen ist, ist ein „Underdog“, ein Außenseiter. Und das schon alleine aufgrund weniger, aber folgenschwerer Fakten. Hier nur einige Beispiele, die die Spitze des Eisberges darstellen:
Hartz-IV Betroffenen, landläufig, Hartz IV-Empfänger oder Alg II-Empfänger (abgeleitet von Arbeitslosengeld II) genannt, steht nach über einjähriger Arbeitslosigkeit nur noch die Zahlung der Kaltmiete plus der Heizkosten und ein Betrag von 345 Euro in den alten Bundesländern zu. Hartz IV beinhaltet, dass statt Arbeitslosenhilfe nunmehr Arbeitslosengeld II ausgezahlt wird. Sie ist mit dem Satz der Sozialhilfe identisch. Zuständig für die Vermittlung von Arbeitsplätzen und die Auszahlung des Arbeitslosengeld II sind die sogenannten Arbeitsgemeinschaften aktiv. Eine Zusammenfassung des Arbeits- und des Sozialamtes. Sie wird mit „Arge“ abgekürzt. Menschen, die länger als 1 Jahr arbeitslos sind, sind sozialrechtlich „Langzeitarbeitslose“.
Im Jahr 2006 begann die Diskussion über den Begriff der „Unterschicht“. Man erfand die Bezeichnung „Prekariat“, zusammengesetzt aus „Proletariat“ und „prekär“. Eine völlig sinnlose Aktion, die die Hartz IV Betroffenen in eine neue, diskriminierende Diskussion brachte. Diese Art Diskussion und Propaganda, in der Hartz IV Betroffene nicht selten als „Schmarotzer“ bezeichnet wurden, katapultierte diese endgültig ins soziale Aus, sodass deren Chancen auf einen Platz in der Gesellschaft nahezu völlig vereitelt und ihnen jede weitere Existenzplanung ad absurdum geführt wurde.
Ein Rechenbeispiel, wie man mit 345 Euro pro Monat – trotz gestiegener Mehrwertsteuer und Lebensmittelkosten – auskommen muss:
- Essen
- Trinken
- Körperpflegeartikel (Zahncreme, Duschgel, Shampoo, Bodylotion, Deo)
- Reinigungspflegemittel für die Wohnung
- Strom
- Kleidung
- Fahrtkosten
- Zuzahlung von Arzneimitteln und (zahn-)ärztlichen Behandlungen
- Tiernahrung
- Papier (weiteres Büromaterial)
- Telefonkosten
- wenn etwas Defektes ersetzt werden muss
Man kann sich auch als Hartz IV Betroffener selbstständig machen. Aber auch hier wurden sehr fragwürdige Hürden eingebaut, die eine völlige Unabhängigkeit von der Arge, die übrigens die Rechtsform „GbR“ und „GmbH“ tragen extrem erschweren, was völlig unverständlich ist. So wird, je nach Region und je nach Entscheidung einzelner Sachbearbeiter der Arge Institute entweder 172 Euro pro Monat oder 345 Euro für ein halbes Jahr bis zu 24 Monaten gewährt.
Als Freiberufler unter Hartz IV Bedingungen darf man nur 99 Euro Gewinn ohne Abzug für sich behalten. Man muss an die Arge 80% seines Gewinnes abgeben, wenn Gewinne zwischen 100 Euro und 799 Euro erzielt werden. Ab Gewinnen von 800 Euro behält die Arge 90% ein.
Traditionell stammen die Hartz IV Betroffenen nicht zwangsläufig aus Familien, die schon seit Generationen sozialbedürftig waren. Es sind dies zu einem hohen Prozentsatz Frauen über 40 mit einer hohen beruflichen Qualifikation. Eine hierarchische Unterscheidung von Bedürftigen mit unterschiedlicher Biographie ist eine weitere Diskriminierung.
Menschen, die Arbeitslosengeld II – Anspruch haben und zu einem Partner ziehen, der ein Einkommen hat (egal, wie niedrig), erhalten weder Arbeitslosengeld II, noch eine Krankenversicherung. Deren Kinder auch nicht! Derzeitig leben 3,5 Millionen Kinder auf Hartz IV Niveau!
Hartz-IV-Betroffene dürfen pro Jahr nur Geschenke im Wert bis insgesamt 50 Euro erhalten, sonst machen sie sich strafbar und werden sanktioniert. Das bedeutet, dass sie mindestens 1 Monat kein Geld erhalten!
Informationen über Rechte und Pflichten erhalten Hartz IV Betroffene in spärlichem Maß. Das schützt sie aber keineswegs vor Strafmaßnahmen, wenn sie unwissentlich Rechtsverletzungen begangen haben. So wurde zum Beispiel der Rentenanteil, ohne dass die Betroffenen darüber in Kenntnis gesetzt wurden, im Januar 2006 halbiert. Ersparnisse dürfen bei Antragsstellung lediglich im Rahmen von bis zu 150 Euro pro Lebensjahr erhalten bleiben, sonst hat man auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Das änderte sich klammheimlich im August 2006. Zuvor hatte man einen Anspruch auf Selbsterhalt von 200 Euro/Lebensjahr. Menschen, die davon erfuhren, erledigten voller Panik noch die letzten Einkäufe von wichtigen Anschaffungen. Die, die nicht davon erfuhren, mussten auf ihr Geld (wiederum ohne ihr Wissen) verzichten. Wer wider besseren Wissens „erwischt“ wurde, mehr zu besitzen, wurde ebenfalls sanktioniert.
Die Kanzlerin kämpft trotz dieser Problematik für ein besseres Klima. Physikalisch betrachtet. Das soziale Klima in diesem Land ist von unerträglicher Kälte geprägt. Die Gesinnung in unserem Land ist „auf materiell“ eingestellt. Da kann sich ein Unternehmen leicht den Scherz leisten, unter dem Motto „Geiz ist geil“ lautstark für seine Produkte zu werben. Die Kunden möchten sich nicht nachsagen lassen, dass sie „blöd“ sind und kaufen, als gäbe es kein Morgen.
Nicht zu fassen, dass in unserem Land obdachlose Kinder leben und ihnen nicht geholfen wird.
„Da werden Sie geholfen“ gilt für eine Telefonauskunft. Werbung greift mit ihrem Zynismus scheinbar instinktiv dort, wo es am meisten weh tut und trifft damit ins Schwarze.
„Ich mache Politik für die Enkel“ gibt Müntefering (SPD) vor und schaltet demonstrativ mit Frau Merkel auf „Harmonie“. Ebenfalls ein viel zitierter Begriff in der Werbung. Selbst Kaffee soll uns diese Beruhigung verschaffen.
Was Merkels Politik betrifft, so beschreibt diese der Spiegel als einen „Prozess zunehmender Undeutlichkeit und Verblassung“.
Wir wissen nicht, wie es den Enkeln von heute gehen wird, wenn sie erwachsen sind.
Wer mit Menschen kommuniziert, die von Armut betroffen sind, der weiß, was ihm nach nur einem Jahr Arbeitslosigkeit bevorsteht. Das sollte nicht nur Angst machen. Das sollte zum Nachdenken anregen. Und es sollte schleunigst dazu führen, dass man unverschuldet Verarmte nicht länger diskriminiert und sich von ihnen abwendet.
Welchen Sinn machen eigentlich Überstunden in zweistelliger Summe pro Woche, wenn gleichzeitig Millionen von Menschen unterhalb des Existenzminimums leben müssen, weil sie unter Anderem deshalb keinen Arbeitsplatz erhalten?
Während die Regierung vom Sommerurlaub in den Winterschlaf geht, sollten sich die Wähler bewegen. Eine sehr sinnvolle Bewegung wäre, wenn Arbeitgeber aufstehen und die Türen für Arbeitssuchende öffnen. Für Lohne, die nicht unter Tarif sind.
Soviel Sonne verträgt unser Land nicht. Nur die Menschen, die hier leben, benötigen sie dringend. Jetzt sofort! Warm anziehen müssen wir uns auf jeden Fall.
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